Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

374 Elftes Kapitel 9. November 
von seinem Gehirn abhängt. Ich war mit meinem Bruder abends 
auf dem Heimwege, und wir ritten, was die Pferde laufen wollten. 
Da hört mein Bruder, der etwas voraus ist, auf einmal einen 
fürchterlichen Knall. Es war mein Kopf, der auf die Chaussee 
aufschlug. Mein Pferd hatte vor der Laterne eines uns entgegen— 
kommenden Wagens gescheut, hatte sich mit mir rückwärts über— 
schlagen, und dabei war ich auf den Kopf gefallen. Ich verlor 
zuerst die Besinnung, und als ich wieder zu mir kam, da hatt ich 
sie nur halb wieder. Das heißt, ein Teil meines Denkvermögens 
war ganz gut und klar, die andre Hälfte war weg. Ich untersuchte 
mein Pferd und fand, daß der Sattel gebrochen war. Da rief ich 
den Reitknecht und ließ mir sein Pferd geben und ritt nach Hause. 
Als mich da die Hunde anbellten — zur Begrüßung —, hielt ich 
sie für fremde Hunde, ärgerte mich und schalt auf sie. Dann sagte 
ich, der Reitknecht sei mit dem Pferd gestürzt, man solle ihn doch 
mit einer Bahre holen, und war sehr böse, als sie das auf einen 
Wink meines Bruders nicht thun wollten. Ob sie denn den armen 
Menschen auf der Straße liegen lassen wollten? Ich wußte nicht, 
daß ich ich war, und daß ich mich zu Hause befand, oder vielmehr, 
ich war ich selber und auch der Reitknecht. Ich verlangte nun zu 
essen, und dann ging ich zu Bette, und als ich ausgeschlafen hatte 
am Morgen, war es gut.“ — „Es war ein seltsamer Fall: den Sattel 
hatte ich untersucht, mir ein andres Pferd geben lassen und der- 
gleichen mehr — alles praktisch Notwendige that ich also. Hierin 
war durch den Sturz keine Verwirrung der Begriffe herbeigeführt 
worden. Ein eigentümliches Beispiel, wie das Gehirn verschiedne 
Geisteskräfte beherbergt; nur eine davon war durch den Fall länger 
betäubt worden.“ 
„Ich erinnere mich noch eines andern Sturzes. Da ritt ich 
rasch durch junges Holz in einem großen Walde, weit weg von 
zu Hause. Wie ich über einen Hohlweg wollte, stürze ich mit dem 
Pferde und verliere das Bewußtsein. Ich muß wohl drei Stunden 
ohne Bewußtsein dagelegen haben, denn es war schon dämmerig, 
als ich aufwachte. Das Pferd stand neben mir. Die Gegend war, 
wie gesagt, weit weg von unserm Gute und mir ganz unbekannt. 
Ich hatte meine Geisteskräfte noch nicht ordentlich wieder. Aber 
das Notwendige that ich auch hier. Ich machte die Martigal ab,
	        
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