Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

394 Elftes Kapitel 14. November 
s. oben) von Hallucination gesprochen. Warum nicht höflich? Ich muß 
es ja auch sein. Immer eine solche gallige, malitiöse Sprache. Sie 
müssen sich eine andre Schreibweise angewöhnen, wenn Sie in einem 
so vornehmen Auswärtigen Amte arbeiten wollen; oder wir müssen 
eine andre Einrichtung treffen. Solche Klopffechterei, gerade wie Braß, 
der eine brillante Stellung haben könnte, wenn er nicht so bissig wäre.“ 
„Hallucination“ war sein eignes Wort gewesen. Werde aber 
künftig seine Aufträge besser sieben, sodaß alles Grobe zurückbleibt 
und nur das Feine in die Presse abgeht. 
Beim Thee erzählte mir Hatzfeldt, daß er ihn heute gleichfalls 
„sehr angefahren“ habe; wenn er das lange aushalten sollte, dankte 
er — was der Herr Graf sich vermutlich reiflich überlegen wird. 
Ich notierte mir vorgestern eine Probe der Art, wie die 
Franzosen uns verleumden. Heute stoße ich in den Zeitungen auf 
eine Zusammenstellung von Beispielen ihrer Verlogenheit in diesem 
Kriege. Ein Sammler hat der Post eine Addition der Zahlen von 
Menschen zugesandt, die dieser Krieg uns nach Angabe der fran- 
zösischen Bulletins bis jetzt gekostet habe. Man traut seinen Augen 
nicht, wenn man die Wunder sieht, die Chassepot und Mitrailleuse 
an unserm Heere verrichtet haben sollen. Wir haben nach diesen 
Berichten von Anfang des Krieges bis Ende Oktober nicht weniger 
und nicht mehr als ungefähr zwei Millionen Mann verloren, und 
es befinden sich darunter eine Menge von erlauchten und berühmten 
Namen. Der Prinz Albrecht, der Prinz Karl, der Prinz Friedrich 
Karl, auch der Kronprinz tot, von einer Kugel oder von einer 
Krankheit dahingerafft. Tresckow niedergemäht, Moltke begraben. 
Sogar der Herzog von Nassau starb den Heldentod fürs Vaterland, 
obwohl er gar nicht mit zu Felde gezogen ist. Der Bundeskanzler 
ist unter Schüssen oder Säbelhieben gefallen, als er den Versuch 
gemacht hat, eine Meuterei bayrischer Soldaten zu beschwichtigen. 
Der König endlich ist, gequält von Gewissensbissen darüber, daß er 
„den heiligen Boden“ Frankreichs mit Krieg heimgesucht, in Wahn- 
sinn verfallen. Und solche Lügenbolde nehmen sich heraus, mit 
mäßigem Witz Löwinsohns biedern Moniteur Menteur zu nennen! 
Montag, den 14. November. Der Chef ist unwohl! und 
  
1 Bismarck klagte am 15. gegenüber Jolly über Unwohlsein; seine Galle 
sei ruiniert, und so schlage ihm jeder Arger auf den Magen, Jolly 199, Brief
	        
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