Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

396 Elftes Kapitel 14. November 
meinen, daß den Franzosen alles politische Urteil abhanden ge— 
kommen sei und nur noch die Leidenschaft und die Verblendung das 
Wort führten. Indes giebt es doch Ausnahmen und möglicherweise 
viele, die ihre fünf Sinne noch beisammen haben und ihre Vernunft 
zu brauchen imstande sind. Ein Brief, der in diesen Tagen im 
Moniteur veröffentlicht werden soll, weist mit seinen Gedanken auf 
eine Ausnahme hin. Es heißt darin — ein wenig rhetorisch, aber 
dem Inhalt nach recht verständig: 
„Wie sollen wir aus der Sackgasse herauskommen, in die Frank- 
reich sich verrannt hat? Ein großes Land zerstückelt, gespalten, 
gelähmt durch die Gewalt, die es beherrscht, und noch mehr durch 
die Wirren, die von ihm selbst ausgehn, eine ganze Nation ohne 
Regierung, ohne Oberhaupt, ohne bekannte Zentralgewalt, ohne 
einen Mann, der sie vertreten und für sie sprechen könnte — das 
ist unfre Lage. Kann sie ins Unendliche sich verlängern? Sicherlich 
nein. Aber wie herauskommen? Das ist die Frage, die sich alle 
verständigen Leute vorlegen, die Frage, die auf allen Seiten auf- 
geworfen wird, und auf die es keine Antwort zu geben scheint. Man 
muß indes eine finden, sie muß bald gefunden werden und eine 
entscheidende sein. 
„Wenn man sich fragt, welche Autorität nach diesem großen 
Schiffbruch noch aufrecht steht, so sieht man nur eine, eine einzige, 
an die das Land sich wie an die letzte Hilfe anklammern könnte, 
und das sind die Generalräte. Diese sind die einzige Autorität, 
um die sich Frankreich in seiner verzweifelten Lage sammeln kann, 
weil sie gegenwärtig die einzigen sind, die ein Ausfluß der Nation 
ist. Diese Körperschaften sind infolge ihres Wesens, infolge der Er- 
fahrung und der hohen Achtbarkeit der Männer, aus denen sie be- 
stehen, infolge der Kenntnis, die sie in jedem Departement von den 
Bedürfnissen, den Interessen und der Denkart der Bevölkerung, aus 
der sie hervorgegangen sind, und in deren Mitte sie leben, die ein- 
zigen, die in der Lage sind, auf ihre Auftraggeber eine unbestrittne 
moralische Einwirkung zu üben. 
„Welche Rolle aber werden die Generalräte unter den gegen- 
wärtigen Verhältnissen spielen können? Diese Rolle ist ihnen, wie 
es scheint, durch den Stand der Dinge vorgezeichnet. Mögen sie, 
die bei den letzten Wahlen gewählten Abgeordneten zur Seite, sich
	        
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