Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

400 Elftes Kapitel 15. November 
bringen, in noch karger bemessenem Maße besessen und es selten über 
den Anfang zu einem Konzept hinaus gebracht haben. „Fortsetzung 
und Schluß mußte ihm Hepke liefern, der ihm seine Stelle verdankte.“ 
Traumbücher und vergeblich zerkaute Federn gehören wohl am Ende 
nicht so eigentlich in ein Auswärtiges Amt, indes hatte das in der 
guten alten Zeit vor Bismarck am Ende nicht viel zu bedeuten. 
Abends verschiedne Ballonbriefe gelesen, darunter einen vom 
3. November, der sich als Ausdruck der Meinung eines vornehmen 
Mannes über den jetzigen Zustand in Paris zum Abdruck im Moniteur 
und anderswo eignen wird. Er lautet, mit Paul unterschrieben 
und an den Marquis de Gabriac, Chargé d'Affaires in St. Peters- 
burg, gerichtet, in deutscher Übersetzung: 
„Mein lieber Joseph!l 
Ich hoffe, daß dir meine letzten Briefe richtig zugekommen sind. 
In dem einen teilte ich dir meine schlimmen Ahnungen mit, die 
seitdem durchweg zur Wirklichkeit geworden sind; in dem andern 
zeigte ich dir meine Ankunft in Paris an, wohin ich abgegangen 
war, als ich erfahren hatte, daß es angegriffen werden würde; in 
einem dritten erzählte ich, wie man niemals weniger frei ist, als 
unter dem Regiment der Freiheit, wie man da nicht ausgehen kann, 
ohne sich der Gefahr auszusetzen, als Spion beiseite gebracht zu 
werden, und wie endlich die Leute vom Volke das Recht zu haben 
glauben, die Bürger unter dem Vorwande, sie seien ihresgleichen, 
zu beleidigen. Heute will ich dir Nachricht über mich und die Be- 
lagerung geben, obwohl du über diese ohne Zweifel ebenso wohl 
unterrichtet sein wirst als ich. 
Mein Gewerbe als Nationalgardist ist weit davon entfernt, 
immer angenehm zu sein. Oft kommt es vor, daß ich siebenund- 
zwanzig Stunden lang Wachtdienst auf den Wällen thun muß, 
womit die Pflicht zusammenhängt, mitten in der Nacht, das Gewehr 
im Arm, auf den Bastionen hin und her zu spazieren. Wenn es 
regnet, ist das sehr verdrießlich, und immer ist es sehr langweilig, 
und zwar umso mehr, als man sich nach dem Eintritt ins Wacht- 
haus auf Stroh, das voll Ungeziefer ist, hinlegen muß, wobei man 
alle Kleinkrämer, Schenkwirte und Bedienten des Viertels zu Schlaf- 
kameraden hat. Mein Name und meine Stellung sind weit davon
	        
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