Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

412 Zwölftes Kapitel 18. November 
des Chefs hier in Versailles handelt, geliefert habe. Stieber wird 
sie dann seinem litterarischen Amanuensis Salingré zugesteckt haben. 
Vater Stieber Gönner und Mitarbeiter der demokratisch gesinnungs- 
tüchtigen Gartenlaube — Allahu akbar! 
Freitag, den 18. November. Früh starker Nebel, gegen 
elf Uhr wird es klar, des Nachmittags wieder Nebelgeriesel. Beim 
Frühstück erfahren, daß General von Tresckow siebentausend Moblots 
aus Dreux hinausgeschlagen und die Stadt besetzt hat. Frage an, 
ob ich das telegraphieren darf. Wird bejaht und die Sache besorgt. 
Später mit Wollmann hinaus nach Ville d'Avray und wieder 
ein Blick auf Paris. Als wir nach Hause kommen, ist der bayrische 
Kriegsminister von Pranckh beim Chef im Salon. Man spricht im 
Büreau davon, daß Keudell morgen oder am Sonntag wieder ein- 
treffen werde, und daß ein kleiner Ausfall gegen die Stellung der 
Bayern stattgefunden habe, über den man jedoch nichts Näheres 
weiß. Die Nationalzeitung vom 15. abends enthält unter Groß- 
britannien Notizen über Regnier und seine Besuche bei uns, in Metz 
und bei Eugenie. Er ist ein wohlhabender Gutsbesitzer, mit einer 
Engländerin verheiratet, mit Madame Lebreton, die im Gefolge der 
Kaiserin ist, befreundet, vor dem Kriege aus Frankreich geflohen. 
Scheint Volontär in der Diplomatie zu sein und, wie früher unter 
uns vermutet wurde, seine Vermittlerrolle aus eigner Initiative er- 
griffen zu haben. 
Bei Tische sind Graf Bray, Minister von Lutz und der württem- 
bergische Offizier von Maucler als Gäste da. Bray ein großer, 
hagerer Herr mit langen, glattanliegenden, an den Schläfen hinter 
die Ohren gestrichnen Haaren, bis auf einen kurzen dürftigen Backen- 
bart rasiert, mit dünnen Lippen, sehr magern Händen und unge- 
wöhnlich langen Fingern. Spricht wenig, verbreitet Kälte um sich, 
fühlt sich hier wohl nicht zu Hause. Könnte anderswo leicht für 
einen Englishman oder auch für einen Schullehrer gehalten werden. 
Der Jesuit unfrer Witzblätter sieht auch gewöhnlich ungefähr so aus. 
Lutz ist das Gegenstück von ihm, mittelgroß, rund, rot, schwarzer 
Schnurrbart, dunkles Haar, das von der Stirn nach dem Scheitel 
zurückgewichen ist, Brille, lebhaft und gesprächig. Maucler junger, 
  
1 s. oben S. 398 f.
	        
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