Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

20. November Zwölftes Kapitel 417 
den Anfang des Infanterie-Sturmmarsches.) Da erhob sich der 
Alte freudestrahlend plötzlich von seinem Stuhle und humpelte auf 
mich zu und umarmte mich und sagte: »Das ist das Rechte. Ich 
weiß, was Sie wollen — marschieren, nach Berlin.« Mit dem 
König aber war nichts zu machen, und die andern hatten auch keine 
rechte Courage.“ 
Nach einer Weile fragte der Kanzler seinen Gast: „Was kostet 
Ihnen eine Visite beim Kaiser jedesmal?“ — Ich weiß nicht, was 
Werder darauf antwortete. Der Chef aber fuhr fort: „Für mich 
war das immer eine ziemlich kostspielige Sache — besonders in 
Zarskoje.“ Ich hatte da immer fünfzehn bis zwanzig, auch fünf- 
undzwanzig Rubel zu zahlen, je nachdem ich unaufgefordert zum 
Kaiser fuhr oder aufgefordert. Im letztern Falle war es teurer. 
Da bekam der Kutscher und der Lakai, die mich geholt hatten, der 
Haushofmeister, der mich empfing — bei letzterer Gelegenheit mit 
dem Degen an der Seite —, dann der Läufer, der mir durch die 
ganze Länge des Schlosses — es müssen wohl tausend Schritt 
sein — bis zum Zimmer des Kaisers vorausging. Wissen Sie, der 
mit den hohen runden Federn auf dem Kopfe, wie ein Indianer. — 
Nun der verdiente seine fünf Rubel wirklich. Und niemals bekam 
man denselben Kutscher zurück.“ — „Ich konnte diese Ausgaben nie 
liquidieren. Wir Preußen waren überhaupt schlecht gestellt. Fünf— 
undzwanzigtausend Thaler Gehalt und achttausend Thaler Mietgeld. 
Ich hatte dafür freilich ein Haus so groß und so schön, wie irgend 
ein Palais in Berlin. Aber die Möbel drin waren alle alt und 
verschossen und ruppig, und wenn ich die Reparaturen und andern 
Kleinigkeiten dazu nehme, so kostete es mich neuntausend jährlich. 
Ich fand aber, daß ich nicht verpflichtet wäre, mehr zu verthun 
als meinen Gehalt, und so half ich mir damit, daß ich kein Haus 
machte. Der französische Gesandte hatte dreimalhunderttausend Franken 
und durfte nebenbei alle Gesellschaften, die er für offiziell anzusehen 
für gut fand, seiner Regierung liquidieren.“ 
„Sie hatten aber doch freie Heizung, und die macht doch in 
Petersburg jährlich was aus,“ warf Werder ein. 
1 Vgl. G. u. E. I, 25 ff., wo Bismarck die Szene (am 21. März 1848) 
noch ausführlicher erzählt. 
2 Zarskoje Selo, kaiserlicher Sommerpalast südlich von St. Petersburg. 
Busch, Tagebuchblätter 1 27 
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.