424 Zwölftes Kapitel 23. November
ihre Rangabzeichen künftig wie bisher am Halse, oder wie die
norddeutschen auf den Schultern tragen sollten.
Bei Tische befanden sich unter uns eine Husarenuniform mit
der Genfer Binde und eine Infanterieuniform mit Achselschnuren,
von denen jene den schlesischen Grafen Fred Frankenberg,! einen
stattlichen Herrn mit rötlichem Vollbart, diese den Fürsten Putbus
schmückte. Beider Verdienste waren mit dem Eisernen Kreuze be-
lohnt. Die Gäste sprachen davon, wie lebhaft man in Berlin nach
dem Bombardement verlange und über dessen Verzögerung murre.
Das Gerücht, daß hohe Damen eine von den Ursachen des Zauderns
seien, scheint nach ihnen dort allgemein verbreitet zu sein.
„Ich habe es dem König schon oft gesagt.“ versetzte der Chef.
„Aber es geht nicht, man will nicht.“
„Die Königin,“ äußert jemand.
„Mehrere Königinnen — verbesserte der Kanzler —, und
Prinzessinnen. Auch glaube ich, daß freimaurerische Einflüsse und
Bedenken dabei mitwirken."
Er erklärte dann wieder, daß er die Cernierung von Paris für
einen Mißgriff halte. Dabei sagte er u. a: „Ich habe diese Ein-
schließung überhaupt niemals gern gesehen. Wäre sie unterblieben,
so wären wir jetzt weiter, oder wir hätten doch eine andre Stellung
vor Europa, bei dem es uns gewiß nichts genutzt hat, daß wir
jetzt acht Wochen vor Paris liegen.“ — „Wir hätten Paris beiseite
lassen sollen. Die Franzosen mußten im offnen Felde aufgesucht
werden. Wollte mans aber anders, dann auch so bald wie möglich
schießen. Wenn so, denn so."“
Putbus erzählte darauf, indem das Gespräch auf die Behandlung
der französischen Landbevölkerung kam, daß ein bayrischer Offizier
ein ganzes schönes Dorf niedergebrannt und den Wein in den
dortigen Kellern auslaufen zu lassen befohlen habe, weil die Bauern
des Ortes sich verräterisch betragen hätten. Jemand anders be-
merkt dazu, daß die Soldaten irgendwo einen über Verrat er-
tappten Curé ganz fürchterlich durchgeprügelt haben sollten. Der
1 Armeedelegierter der freiwilligen Krankenpflege im Hauptquartier des
Kronprinzen. Er hatte am 15. Oktober in Orleans mit dem Bischof Dupanloup
verhandelt, um dessen Einfluß auf die Herstellung des Friedens zu benutzen.
Poschinger, Bismarck und die Parlamentarier II, 140 ff., 92.