428 Zwölftes Kapitel 23. November
gewisse Rechte an den deutschen Kaiser abzutreten, als an den
benachbarten König von Preußen.“
Als der Minister sich dann über den König von Bayern
äußerte, „er lebe in Träumen“ u. dgl., bemerkte Abeken,! der in—
zwischen hereingekommen war, und den dies natürlich mit Betrübnis
erfüllte: „Aber der junge König ist doch so ein netter Mensch.“
„Das sind wir alle hier auch,“ entgegnete der Chef, indem er
uns der Reihe nach ansah.
Starkes Gelächter im Zentrum sowie auf der Linken.
Bei einer zweiten Flasche Sekt, die er mit uns trank, kam er,
ich weiß nicht, wodurch veranlaßt, auf seinen Tod zu sprechen und
1 Abeken vom 23. November abends, S. 453 f.: „Es ist soeben mit
Bayern abgeschlossen worden. — So ist denn wirklich aus dem Norddeutschen
Bund — ein Deutscher Bund geworden, und die deutsche Einheit ist fertig. —
Das hat der Minister eigentlich allein mit den Bayern fertig gebracht; da Delbrück
nach Berlin hatte reisen müssen, so lag ihm allein die ganze Last, auch die
Bewältigung des Materials ob, und es hat ihm mehrere Nächte und viele Kraft
gekostet. — Es gehört doch eine fast beispiellose Kraft des Geistes und des
Wollens dazu, so verschiedne Sachen nebeneinander de front zu führen: die
ganze auf den Krieg mit Frankreich bezügliche Diplomatie, diese deutschen Ver-
handlungen und daneben nun die russische Verwicklung. Dazu nun noch eine
Menge Sachen, die ihm als Präsidenten des Staatsministeriums in Bezug auf
die innern Verhältnisse Preußens obliegen, Administrationssachen der eroberten
Provinzen, Zank und Streit mit Militär= und Zivilbehörden, und dabei viel
nötiger und unnötiger Arger. Es ist nur zu verwundern, daß er es so aus-
hält.“ — 24. November morgens: „Ich gehe sonst nicht zum Thee hinunter.“
— Aber „als wir (Abeken und Keudell, von einem Spazierganges wieder herein-
kamen, und ich erfuhr, daß die bayrischen Minister weg und Graf Bismarck im
Theezimmer sei, konnte ich nicht widerstehen hineinzugehen und ihm zum Abschluß
Glück zu wünschen, was er sehr dankbar und herzlich aufnahm. Da wars denn
auch nicht möglich, nicht sitzen zu bleiben und neben dem Thee auch ein Glas zu
trinken. Bismarck war sehr heiter und gesprächig darüber, denn spät wurde es.
— Ich finde heute morgen, daß er gestern abend noch gearbeitet und eine An-
zahl Konzepte, die ich ihm hatte in die Stube legen lassen, korrigiert hatte. Dafür
schläft er aber auch jetzt noch — die letzten Nächte hatte er fast gar nicht ge-
schlafen, war sogar mehrmals ausfgestanden und hatte sich Licht gemacht, um
etwas zu konzipieren. — Unser Büreau hat nun heute freilich viel zu schreiben,
mit Abschriften, Telegrammen u. dgl. Neulich mußten die Leute in der Nacht
bis zweieinhalb Uhr schreiben, um den Vertrag zur Unterzeichnung fertig zu
bringen. . Europa wartet auf euch, sagte der Minister.“