Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

26. November Zwölftes Kapitel 433 
Wie ich dann nach einer Viertelstunde nach ihm frage, ist er fort, 
und davon hängt möglicherweise der Friede Europas ab. So gehe 
ich schon um zwölf zum König, und das wird Ursache, daß ich 
dem — in die Hände falle, der mich als seinen Bundeskanzler 
nötigt, einen Brief anzuhören, den er an eine hohe Person (es war 
der Kaiser von Rußland) geschrieben hat, und der mich auf diese 
Art eine ganze Weile mißbraucht.“ — „Ich sollte ihm sagen, was 
ich von dem Brief dächte. Ich weigerte mich dessen. Nun, dann 
hätte ich wohl daran was auszusetzen, sagte er pikiert. Ich er- 
klärte, das sage ich Ihnen auch nichte; doch wollte ich ihm be- 
merken, daß ich den Brief anders geschrieben hätte. — Was ich 
denn anders haben wollte? — Ich blieb standhaft und sagte, 
ddarüber kann ich mich nicht aussprechen, weil ich, wenn der Brief 
nach meinen Korrekturen abginge, für den Inhalt verantwortlich 
würde. — Ja, dann müßte er mit dem Könige reden. — Thun 
Sie das sagte ich kühl. Ich aber werde, wenn der Brief abgeht, 
sofort an den Ort seiner Bestimmung telegraphieren, daß ich mit 
dem Briefe nichts zu schaffen habe. So verlor ich eine Stunde, 
und nun konnten Telegramme von großer Wichtigkeit erst abgehen, 
sodaß sie denen, für die sie bestimmt sind, vielleicht heute nicht 
mehr zukommen, und inzwischen können Beschlüsse gefaßt worden 
sein und Verhältnisse sich gestaltet haben, welche sehr ernste Folgen 
für ganz Europa haben und die politische Situation ganz ver- 
ändern.“ — „Das kommt aber alles vom Freitag her — setzte er 
hinzu —, Freitagsverhandlungen, Freitagsmaßnahmen.“ 
Später fragte er: „Hat jemand von den Herren den Maire 
veranlaßt, daß er in Trianon das Nötige (für den König von 
Bayern) herrichtet?“ 
Hatzfeldt erwiderte, er habe selbst mit ihm über die Sache ge- 
sprochen. v 
Der Chef antwortete: „Trèes bien — aber wenn er nur noch 
kommt. Das hätte ich auch nicht gedacht, daß ich einmal den Haus- 
hofmeister von Trianon spielen würde. Und Napoleon? Und Ludwig 
der Vierzehnte? Was würde der dazu sagen?“ 
Es wurde dann noch davon gesprochen, daß der amerikanische 
Spiritualist Home sich seit mehreren Tagen hier befinden und vom 
Kronprinzen zur Tafel gezogen worden sein solle. Bucher bezeichnete 
Busch, Tagebuchblätter 1 28
	        
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