Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

30. November Dreizehntes Kapitel 451 
Bayern die Zumutungen nicht gemacht habe, die er und seine 
Gesinnungsgenossen für unbedingt notwendig halten.1 Desgleichen 
Julian Schmidt derartige Andeutungen übermitteln lassen. — In 
der zweiten Hälfte der Nacht und am Morgen lebhaftes Schießen 
aus grobem Geschütz jenseits der Gehölze zwischen hier und Paris. 
Wollmann will auch Mitrailleusengeschnurr und Gewehrfeuer gehört 
haben. Andre Leute wissen davon nichts. — Der Chef scheint 
den Gedanken ernstlich ins Auge gefaßt zu haben, den König um 
Enthebung von seinem Amte zu bitten, und nach Bucher stünde 
er schon dicht vor dem Entschluß!!! 
Als ich Bucher beim Frühstück von der Außerung erzählte, 
die Engel gestern abend auf der Treppe gethan hatte, verwies er 
mich auf das, was der Minister bei Tisch über das Rotwerden des 
Königs gesagt hatte, und fügte hinzu: „Heute hat mir der Chef 
etwas mitgeteilt, was noch kein andrer weiß. Er geht nämlich 
ernstlich mit dem Gedanken um, dem Könige den Stuhl vor die 
Thür zu setzen."“ 
Ich erklärte, dann ginge ich sogleich auch meiner Wege. 
Einem andern wolle ich nicht dienen. Er sagte: „Ich auch nicht, 
ich nehme dann meinen Abschied ebenfalls." 
Nachmittags machte ich mit Wollmann einen Ausflug zu Wagen 
nach Marly, wohin etwas später auch der Kanzler, Abeken und 
Hatzfeldt ritten, die uns dann oben auf der Wasserleitung trafen. 
Wir sahen hier, daß nördlich von Paris in der Richtung von 
Gonesse heftig geschossen wurde. Weiße Pulverwolken gingen auf, 
und die Blitze der Kanonen zuckten hindurch. 
Bei Tische, wo der Fürst Putbus und Odo Russell zugegen 
waren, erzählte der Chef, daß er ein einziges mal versucht habe, 
auf Grund seiner Kenntnis von Staatsgeheimnissen in Papieren 
zu spekulieren, daß es ihm dabei aber nicht geglückt sei. „Ich er- 
hielt in Berlin — so berichtete er — den Auftrag, wegen der Neuen- 
burger Geschichte mit Napoleon zu sprechen. Es muß im Frühjahr 
von 1857 gewesen sein. Ich sollte ihn fragen, wie er sich zu der 
  
1 Auf diese Anregung ist offenbar Treitschkes Aufsatz (vom 7. Dezember) 
„Die Verträge mit den Südstaaten“ zurückzuführen. Zehn Jahre deutscher Kämpfe 
13, 393 ff. 
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