Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

454 Dreizehntes Kapitel 30. November 
Russell erwähnte, wie er ihn in Rom in einem blauen Sammet— 
anzuge auf der Jagd gesehen habe. 
„Ja — versetzte der Chef —, ein guter Jäger ist er. Dazu 
hat er den robusten Muskelbau. Er würde einen tüchtigen Revier- 
förster abgegeben haben. Aber als Minister des Auswärtigen — 
man begreift kaum, wie Napoleon ihn dazu nehmen konnte.“ 
Löwinsohn berichtet abends, daß er heute zwei mit acht Pferden 
bespannte Belagerungsgeschütze durch Versailles habe gehn sehen, 
wahrscheinlich nach einer Batterie bei Sevres oder Mendon. 
Beim Thee erzählte Bohlen, daß Hatzfeldt gestern zur könig- 
lichen Tafel eingeladen worden sei und sich darüber nicht erfreut ge- 
äußert habe, er wisse nicht, was Perponcher gegen ihn haben müsse, 
daß er ihn zu diesem unzureichenden Essen einlade. Da habe 
Abeken wehmütig gesagt: „Sie beklagen sich darüber, andre freuten 
sich. Mir z. B. ist noch nie das Glück zu teil geworden, zur Tafel 
befohlen zu werden, ich komme immer nur zum Thee hin.“ 
Um zehn Uhr kam der Minister zu uns. Er sprach wieder 
vom Bombardement und sagte: „Ich habe gleich nicht gewollt, daß 
man Paris einschließe. Ja, wenn es richtig war, was der General- 
stab noch in Ferrières behauptete, daß sie ein paar Forts in drei 
Tagen zusammenschießen und dann gegen die schwache Enceinte vor- 
gehen konnten, so war es gut. Aber daß man durch sechzigtausend 
ordentliche Truppen über zweimalhunderttausend festhalten ließ, war 
ein Fehler.“ — „Bis Sedan ein Monat, hier drei Monate schon; 
denn morgen ist der erste Dezember. Telegraphierten wir gleich 
nach Sedan um Belagerungsgeschütz, so wären wir drin und hätten 
keine Intervention der Neutralen gehabt. Hätte ich das vor drei 
Monaten gewußt, so wäre ich in großer Sorge gewesen. Die Ge- 
fahr eines Eingreifens der neutralen Mächte wächst mit jedem Tage. 
Sie fängt freundschaftlich an und kann sehr übel enden.“" 
Keudell sagte: „Der Gedanke, nicht zu schießen, ist übrigens 
erst hier aufgekommen. 
„Ja — bestätigte der Chef —, auf die englischen Briefe hin 
beim Kronprinzen." 1 
  
1 An demselben 30. November schrieb Bismarck an Roon: „Ich habe 
das Papier mit eindringlicher Mahnung Sr. Majestät geschickt wegen Beschießungl.
	        
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