Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

2. Dezember Dreizehntes Kapitel 465 
Sachsen stehen, und zwar hatten die Franzosen diesmal große Massen 
von Infanterie entwickelt. Dabei haben wir mehrere Grade Kälte, 
was für die Verwundeten auf dem Schlachtfelde traurig ist.1 Nach- 
mittags den großen Timesartikel über Gortschakows Antwort auf 
Granvilles Depesche für den König übersetzt. 
Bei Tische waren Alten, Lehndorff und ein Offizier in Dragoner- 
uniform Gäste des Chefs. Der Dragoneroffizier war ein Herr 
von Thadden und Sohn von Thadden-Trieglaff. 
Der Chef erzählte, daß er soeben, von einer Tour zu Wagen 
zurückgekehrt, für bessere Unterbringung unsrer Wachmannschaft Sorge 
getragen habe. „Die Leute hatten — so berichtete er — bisher 
ihr Lokal in der unheizbaren Wagenremise der Madame Jesse gehabt. 
Das ging aber nicht mehr, und so befahl ich dem Gärtner, ihnen 
die Hälfte des Warmhauses einzuräumen. „Da werden aber die 
Pflanzen von Madame erfrieren, erwiderte die Gärtnersfrau. 
„Schlimm, sagte ich, aber besser, als wenn es den Soldaten so 
geht.“ 
Dann wandte er sich der Gefahr zu, daß der Reichstag den 
Vertrag mit Bayern verwerfen oder auch nur ändern könnte. „Ich 
habe die größte Angst,“ sagte er. „Die Leute ahnen nicht, was 
die Lage ist. Wir balancieren auf der Spitze eines Blitzableiters; 
verlieren wir das Gleichgewicht, das ich mit Mühe herausgebracht 
habe, so liegen wir unten. Sie wollen mehr haben, als was sich 
ohne Pression erreichen ließ, und worüber wären sie vor 1866 
glücklich gewesen! Wenn sie damals nur die Hälfte von heute be- 
kommen hätten! Man will verbessern, mehr Einheit hineinkorrigieren, 
mehr Gleichförmigkeit; aber ändern sie nur ein Komma, so müssen 
neue Verhandlungen beginnen. Wo sollten sie stattfinden? Hier 
in Versailles? Und sind wir mit der Sache zum ersten Januar 
nicht fertig — was manchem in München lieb wäre —, so ist die 
deutsche Einheit verloren — vielleicht für Jahre, und die Oster- 
reicher machen ihre Geschäfte in München.“ 
Nach der Suppe kamen Champignons in zweierlei Zubereitung 
als erstes Gericht auf den Tisch. „Die müssen mit Andacht ge- 
  
1 Darüber auch Abeken vom 2. Dezember abends, S. 459 f. Verdy, 
der selbst Weisungen an Fransecky (2. Armeekorps) brachte, S. 245 ff. 
Busch, Tagebuchblätter 1 30
	        
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