5. Dezember Dreizehntes Kapitel 479
Keudell habe ihm indes bemerkt, daß durchaus nichts Bestimmtes
gegen ihn vorliege, jedoch müsse es bei dem Redaktionswechsel ver—
bleiben. — Es freut mich, daß ihm erlaubt bleibt, sich für seine
Korrespondenzen bei uns Information zu holen. Er hat uns damit
in der Kölnerin wiederholt gute Dienste geleistet.
Bei Tische saß zur Linken des, Chefs der Reichsbote Bam—
berger, der ebenfalls nach Berlin zu reisen im Begriffe stand, um für
unveränderte Annahme der Verträge mit Süddeutschland zu wirken.!
Außer ihm hatte der Minister einen Dragoneroffizier mit gelbem
Kragen, den Obersten von Schenk, und einen Leutnant oder Rittmeister
von den hellblauen Husaren zu Gästen. Dieser, ein Herr mit grauem
Kopf, Schnurr- und Knebelbart, ist der Herr von Rochow, der
Hinkeldey im Duell erschossen hat.? Das Gespräch drehte sich zuerst
um die Arzte und deren Wissen, über das der Chef wenig günstig
urteilte. Dann waren die Verträge das Thema, und man erkannte
das Verhalten der Fürsten in dieser Sache als korrekt an. „Ja, aber
die im Reichstage!“ versetzte der Kanzler. „Ich muß immer denken:
Ihr Herren, ihr Herren, ihr verderbet mir meinen ganzen Vogel-
fang. — Sie wissen, Kaiser Heinrich. Da wurde es zuletzt noch
gut. Aber hier. Die können sich dann Mann für Mann totschlagen
lassen auf dem Altare des Vaterlandes, es hilft doch nichts.“ —
Er sann einen Augenblick nach, dann fuhr er mit einem halben
Lächeln fort: „Man sollte die Landtags= und Reichstagsmitglieder
1 Poschinger, Bismarck und die Parlamentarier II, 136 f. Kaoiser
Friedrichs Tagebuch vom 28. November: „Bismarck fordert alle im Felde be-
findlichen Reichstagsmitglieder auf, nach Berlin zur Abstimmung zu gehen.“ Wie
schwere Sorge er damals hatte, daß die Verträge nicht angenommen und dadurch
unabsehbare Schwierigkeiten hervorgerufen werden könnten, sieht man auch aus
seinen Unterhaltungen mit dem Grafen Fred Frankenberg am 23. und 30. No-
vember, der selbst mit nach Berlin ging. Am liebsten wäre B. selbst hingeeilt,
aber er sagte dem Grafen, diese Reise gehe jetzt über seine Kräfte, und auch der
König sei dagegen. „Sie werden mich doch hier mit den Europäern nicht allein
lassen?“ habe er bei der ersten Andeutung erwidert, und er habe recht. „Die
Noten und Depeschen, welche nur der Eingeweihte beurteilen und beantworten
kann, jagen sich jetzt hier so sehr, daß ich durchaus unabkömmlich bin.“ Poschinger
a. a. O III, 249 ff. II, 143.
2 Den Polizeipräsidenten von Berlin, am 10. März 1856. Vgl. Gerlach,
Denkwürdigkeiten II, 402 f.