Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

5. Dezember Dreizehntes Kapitel 481 
nach seinen Befehlen und Darlegungen zwei größere Artikel für die 
Spenersche Zeitung. Der erste lautete: „Die deutschen Oster- 
reicher wollen keinen Krieg, die Mehrzahl der österreichischen Slawen 
will ebenso wenig einen. So sagte uns in diesen Tagen die Wiener 
Presse. Aber es giebt in Osterreich und in Ungarn eine nicht sehr 
zahlreiche, aber einflußreiche Partei, die ihn will, die ihn, wenn 
wir nach der letzten Ursache fragen, lediglich aus Hochmut will, 
aus einer Art Kavalierleichtsinn, aus dem reinen Bedürfnis, politisch 
Luxus zu treiben, sich als Grand Seigneur sehen zu lassen vor der 
Welt. Das Osterreich dieser Partei, die in sehr hohen Sphären 
waltet, kommt uns ungefähr wie die fürstliche Familie Esterhazy 
vor. Wir sehen ein altes vornehmes Haus mit sehr bedeutendem 
Besitz und Vermögen. Man könnte sich dabei wohlbefinden, man 
könnte eine sehr stattliche Rolle spielen. Aber der böse Geist des 
Hauses drängt unablässig zur Verschwendung, zur Überanstrengung 
der Hilfsquellen, zum Hinauswerfen von kolossalen Summen für 
Repräsentation, für Schaustellung des Reichtums und dessen Be- 
deutung, für Pferde, für Diamanten u. dergl. So gerät man in 
Schulden, endlich an den Rand des Bankerotts. Esterhazy-Lose 
sollen helfen, und sie helfen wirklich. Man sieht sich gerettet. Aber 
kaum ist Luft geschaffen und neuer Boden gewonnen, so treibt der 
Dämon von neuem, und das alte Spiel beginnt von vorn, bis 
endlich einmal die Zeit kommen wird, wo auch die Lotterie dem 
alten Hause das Leben nicht mehr fristet. Ganz ähnlich kommt uns 
das Osterreich vor, das wir oben bezeichneten. Der Staat ist ein 
schöner Besitz, vortreffliche natürliche Grundlagen, reicher Boden, 
allerlei wertvolle Hilfsquellen. Aber die Politik des Besitzers ist 
ganz die der erwähnten Magnatenfamilie. Immer muß man sich 
über seine Kräfte sehen lassen, immer mehr sein wollen, als man 
ist. So will es der Staatsdämon, der als Notwendigkeit empfindet, 
was in Wirklichkeit Luxus, Einbildung, Kavaliersvelleität ist. So 
ist das reiche alte Haus ein verhältnismäßig armes altes Haus 
geworden, mit einem Anstrich von Donquichotterie und einem noch 
stärkeren Zuge von Unsolidität, wie sie am wenigsten in unsre 
nüchterne und auf Zahlungsfähigkeit haltende Zeit paßt. Bisweilen 
hilft man sich, wie das Ebenbild mit Losen, mit irgend einem nicht 
recht nobeln Finanzmanöver, dann aber macht man plötzlich wieder 
Busch, Tagebuchblätter 1 31
	        
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