Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

484 Dreizehntes Kapitel 5. Dezember 
ach nein, Kupferstiche« — »Nun, was machst du denn mit deinem?« 
sagte er. — »Nun, nichts; ich verwahre ihn!« — Dann fragte er 
mich: »Erscheint denn die Revue des deux Mondes noch? Ein in— 
teressantes Blatt?« — »Ich weiß es nicht,« sagte ich. — »Wer ist denn 
der Redakteur?« — »Das weiß ich auch nicht.« — »Soool« u. s. w.“ 
„Bei Beantwortung solcher Fragen war Radowitz stark,“ sagte 
der Minister. „Der gab dreist über alles Mögliche Auskunft, und 
damit erzielte er den größten Teil seiner Erfolge bei Hofe. — Der 
wußte genau zu sagen, was die Maintenon oder die Pompadour 
an dem oder jenem Tage getragen hatten. Sie hatte das und das 
um den Hals, sie trug einen Kopfputz von Kolibris oder Wein— 
trauben, sie hatte ein perlgraues oder papageigrünes Kleid an mit 
den oder den Falbeln oder Spitzen — ganz genau, wie wenn er 
dabei gewesen wäre. Die Damen waren ganz Ohr über diese Toiletten— 
vorlesung, die ihm so fließend abging.“ 
Das Gespräch kam hiervon auf Alexander von Humboldt, der 
nach dem, was über ihn geäußert wurde, auch Hofmann, aber nicht 
von der unterhaltenden Sorte gewesen sein wird. „Bei unserm 
hochseligen Herrn — so erzählte der Chef — war ich das einzige 
Schlachtopfer, wenn Humboldt des Abends die Gesellschaft in seiner 
Weise unterhielt. Er las da gewöhnlich vor, oft stundenlang — 
eine Lebensbeschreibung von einem französischen Gelehrten oder einem 
Baumeister, die keinen Menschen als ihn interessierte. Dabei stand 
er und hielt das Blatt dicht vor die Lampe. Mitunter ließ ers 
fallen, um sich mit einer gelehrten Bemerkung darüber zu ver— 
breiten. Niemand hörte ihm zu, aber er hatte doch das Wort. 
Die Königin nähte in einem fort an einer Tapisserie und verstand 
gewiß nichts von seinem Vortrage. Der König besah sich Bilder 
— Kupferstiche und Holzschnitte — und blätterte möglichst geräusch- 
voll darin, in der stillen Absicht augenscheinlich, nichts davon hören zu 
müssen. Die jungen Leute seitwärts und. im Hintergrunde unter- 
hielten sich ganz ungeniert, kicherten und übertäubten damit förmlich 
seine Vorlesung. Die aber murmelte, ohne abzureißen, fort wie ein 
Bach. Gerlach, der gewöhnlich auch dabei war, saß auf seinem 
kleinen runden Stuhle, über dessen Rand sein fetter Hinterer auf 
allen Seiten herabhing, und schlief, daß er schnarchte, sodaß ihn 
der König einmal weckte und zu ihm sagte: Gerlach, so schnarchen
	        
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