22. Erstes Kapitel 30. März
zu hoffen, daß auch die preußische Regierung ihnen kräftige Unter-
stützung angedeihen lassen wird.“
Die letzten Sätze wiederholten, wie man sieht, fast wörtlich
den Schluß des Abekenschen Schriftstücks.
30. März. Der Graf schickt mir einen Bericht aus Rom
herunter, der in der Presse verwandt werden soll. Es heißt darin:
„Die Touristen, die am 22. die Peterskirche besuchten, wurden in
ihren Betrachtungen wiederholt durch dumpfes Getöse unterbrochen,
das von der Konzilsaula gewitterartig tobend durch die Hallen
zog. Wer noch eine Weile blieb, sah einzelne Bischöfe mit verstörter
Miene aus den Seitenschiffen hervorkommen und eilig die Kirche
verlassen. Es hatte einen gewaltigen Skandal im Kreise der ehr-
würdigen Väter gegeben. Stroßmayer hatte über das Thema de
erroribus gesprochen, das vor etwa drei Wochen dem Konzil vor-
gelegt, in die Kommission zurückgeschickt und nun von derselben in
verbesserter Gestalt wieder zur Diskussion gestellt worden, und
über das man nun schon seit fünf oder sechs (acht) Tagen berät.
Stroßmayer hatte ein den Sätzen vorausgehendes Proöbmium kritisiert,
das den Protestantismus als die Quelle aller libel bezeichnete,
die jetzt in der Gestalt von Pantheismus, Materialismus und
Atheismus die Welt verpesteten. Stroßmayer sagte, in diesem
Proömium würden historische Unwahrheiten ausgesprochen, die
Irrtümer unfrer Zeit seien viel älter als der Protestantismus.
Unter anderm müßte man den Humanismus, der von höchsten
Autoritäten unvorsichtig beschützt worden (Papst Leo X.), dafür
verantwortlich machen. Das Proömium entbehre der caritas, die
man den Protestanten schulde. (Erster Lärm.) Gerade unter den
Protestanten seien dem Christentume die mächtigsten Verteidiger er-
standen, z. B. Leibniz und Guizot, dessen Meditationen er in jedes
Christen Hand zu sehen wünsche. (Verdoppelter Lärm, geballte
Fäuste drohen, man hört Ausrufe wie: Haereticus es! — taceas! —
descendas! — omnes te condemnamus! und dazwischen dann: ego
illum non condemno.) Auch dieser Sturm wird noch beschwichtigt,
und Stroßmayer findet die Möglichkeit, auf einen andern Punkt
überzugehn, auf die Frage, die die Bischöfe in ihren Protesten
berührt haben, daß dogmatische Beschlüsse nur mit Einstimmigkeit
gefaßt werden können. Dabei läuft der Becher des Unwillens der