Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

496 Vierzehntes Kapitel 8. Dezember 
konnte ja sagen, erst müsse er frische Luft schöpfen nach der Krank— 
heit — im Gebirge, und dann nach drei, vier Tagen antworten. — 
Ja, der Graf hat sich um uns sehr verdient gemacht; aber er hat 
schon den großen roten Vogel, und ich weiß wirklich nicht, was 
man für ihn thun kann.“ 
Ich habe vergessen, über welche Mittelglieder das Gespräch 
zu den Begriffen Swells, Snobs und Cockneys gelangte, die dann 
ausführlich besprochen wurden. Der Chef bezeichnete einen Herrn 
von der Diplomatie als Swell und bemerkte dann: „Das ist doch 
ein schönes Wort, das wir im Deutschen nicht wiedergeben können. 
Ja Stutzer, aber es enthält zugleich die gehobne Brust, die Auf— 
geblasenheit. Snob ist ganz was andres, was sich bei uns aber 
auch nicht recht ausdrücken läßt. Es bezeichnet verschiedne Dinge 
und Eigenschaften, doch vorzüglich Einseitigkeit, Beschränktheit, Be— 
fangenheit in lokalen oder Standesansichten, Philisterei. Ein Snob 
ist etwa ein Pfahlbürger. Doch paßt das nicht ganz. Es kommt 
noch Befangenheit in Familieninteressen hinzu — enger Gesichts— 
kreis beim Urteil über politische Fragen — eingeklemmt in anerzogne 
Einbildungen und Manieren. Es giebt auch Snobs weiblichen Ge— 
schlechts und sehr vornehme. Man könnte auch von Parteisnobs 
reden — solche, die bei der großen Politik nicht aus den Regeln 
des Privatrechts herauskönnen — Fortschrittssnobs.“ — „Cockney 
  
meldete, hörte er, der König könne ihn nicht empfangen, da er sich eben in das 
Gewand und die Rüstung eines Theaterhelden geworfen habe. Der Gesandte 
aber ließ ihm sagen, weshalb er erschienen sei, und daß er Eile habe. Darauf 
kam der König, der sich noch im Anzug des Lohengrin befand, heraus, und jener 
trug ihm die Angelegenheit vor. Als Seine Majestät sich weigerte, sogleich auf die 
Botschaft einzugehn, da er sichs erst überlegen müsse, wiederholte der Sendbote, 
daß er Eile habe, und als der König noch nicht wollte, sagte er, dann würde 
er sich an den König von Württemberg, und wenn der auch nicht Lust hätte, an 
den von Sachsen wenden. Darauf sagte König Ludwig: „Nun ja, der König 
von Preußen ist ein alter Mann, und ich bin jung. Wenn der stirbt, werde ich 
Kaiser,“ und so ging er auf den Vorschlag Bismarcks ein, und die Sache wurde 
gemacht. Als er aber später erfuhr, daß der Kaisertitel erblich sein sollte, war 
er sehr böse, und so erklärt es sich, daß er niemals nach Berlin gekommen und 
jedesmal, wo der Kaiser oder der Kronprinz in der Gegend von München er— 
schienen, unsichtbar geblieben ist. 
Der Urheber dieser Darstellung hat (besonders in den drei letzten Sätzen) 
läuten, aber nicht anschlagen hören.
	        
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