14. Dezember Vierzehntes Kapitel 521
Chefs die Besetzung von Blois durch unsre Truppen und die Ka—
pitulation von Montmedy telegraphiert.
In Deutschland haben sich die Zentralisten über den Vertrag
mit Bayern immer noch nicht zufrieden gegeben. Treitschke in
Heidelberg schreibt mir darüber fast in verzweifelnder Stimmung:
„Ich begreife sehr gut, daß Graf Bismarck nicht anders handeln
konnte; aber eine traurige Geschichte bleibt es doch. Bayern hat
uns wieder, wie 1813 durch den Vertrag von Ried, einen Knüppel
zwischen die Beine geworfen. So lange wir unsern leitenden Staats-
mann haben, werden wir trotzdem laufen können. Ob auch später?
Das unbedingte Vertrauen, das ich der Lebenskraft des Nord-
deutschen Bundes entgegenbrachte, kann ich zu dem neuen Reiche
nicht hegen. Ich hoffe nur, die gesunde Kraft der Nation werde
trotz der höchst mangelhaften Staatsformen gedeihen.“ Das hoffe
ich auch, zumal mir das Mangelhafte dieser Staatsformen nicht
so gefährlich vorkommt, als unserm Freunde am Neckarstrande.
UÜbrigens, was hilft das Klagen über Dinge, die nicht anders zu
gestalten waren! Was gemacht werden konnte, ist gemacht worden,
und nun heißt die Parole: Nimm, was zu haben ist; bei Fleiß,
Geschick und Geduld wird mit der Zeit unter dem Beistande Gottes,
der aus Deutschland offenbar was machen will, schon mehr daraus
werden. 2
Vor Tische wohnte ich wieder dem Begräbnis von zwei Soldaten
bei, die im Schloßlazarett gestorben waren. Der Zug ging über
den Boulevard de la Reine und die Rue Adelaide nach dem Gottes-
acker. Die Franzosen grüßten die Särge auch diesesmal durch Ab-
nehmen der Kopfbedeckung. Die Musik spielte auf der Straße
die Melodie: „Wie wohl ist mir, o Freund der Seelen“ und an
dem großen Massengrabe draußen: „Wie sie so sanft ruhn.“
Am Diner nahmen der Chef und als Gast Graf Holnstein
teil. Das Gespräch bezog sich heute nicht auf Politik. Der Minister
erzählte recht aufgeräumt und mitteilsam von den verschiedensten
Dingen. Er bemerkte u. a., daß er als junger Mann ein rascher
1 13. Dezember.
2 Nicht günstiger urteilte der Kronprinz über die Verträge, Tagebuch vom
9. Dezember 1870 und vom 1. Januar 187 1.