Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

15. Dezember Vierzehntes Kapitel 525 
Frankenberg sagte, in Berlin und vorzüglich im Reichstage 
spräche man von nichts soviel als von den Ursachen, aus denen 
man bis jetzt unterlassen habe, Paris zu bombardieren. Alle andern 
Dinge träten davor zurück. 
„Ja — erwiderte der Chef —, jetzt, wo Roon die Sache in 
die Hand genommen hat, geschieht doch was. Es sind tausend 
Wagen und die nötige Bespannung zum Munitionfahren auf dem 
Wege hierher, und von den neuen Mörsern sollen auch welche an- 
gekommen sein. Jetzt, wo der es in Angriff genommen hat, wird 
doch endlich etwas gethan.“ 
Man kam auf die Art zu sprechen, wie die Wiederherstellung 
des deutschen Kaisertums vor den Reichstag gebracht worden sei, 
und Frankenberg so wie dann auch Fürst Pleß äußerten sich dahin, 
daß man dabei nicht so zu Werke gegangen sei, wie zu wünschen 
gewesen wäre. Die Sache sei mit wenig Geschick arrangiert worden. 
Die Konservativen habe man von der bevorstehenden Mitteilung 
nicht avertiert, und so sei diese gerade in die Zeit gefallen, wo sie 
beim Frühstück gesessen hätten, und Windthorst habe dem Anschein 
nach nicht Unrecht gehabt, wenn er mit gewohnter Gewandtheit im 
Benutzen der Umstände bemerkt habe, er hätte von der Versammlung 
mehr Teilnahme erwartet. 
„Ja — sagte der Chef —, dieser Kaiserscherz mußte einen ge- 
schicktern Regisseur haben, es mußte eine wirksamere mise en scêéne 
stattfinden. Das versteht aber Delbrück nicht. 1 Es hätte einer auf- 
treten müssen, um seine Unzufriedenheit mit den bayrischen Ver- 
trägen auszusprechen. Es fehlte dieses, und es mangelte jenes. Dann 
mußte er sagen: Ja, wenn sich ein Aquivalent für diese Mängel 
gefunden hätte, etwas, worin die Einheit ausgesprochen wäre, das 
wäre was andres, und nun mußte man den Kaiser hervorziehen.“ — 
„Er ist übrigens wichtiger als mancher glaubt, der Kaiser. Ich 
konnte es ihnen (scil, den Fürsten) gar nicht sagen, was es alles 
ist, sonst wäre es mir gewiß nicht gelungen.“ — „Übrigens gebe 
  
1 In seinem Tagebuche vom 9. Dezember äußert sich der Kronprinz darüber 
sehr entrüstet: „Es war kläglich, als ob er die Kaiserkrone in altes Zeitungs- 
papier gewickelt aus der Hosentasche gezogen; es ist unmöglich, in diese Leute 
Schwung zu bringen.“ Vgl. Graf Fred Frankenberg vom 15. Dezember bei 
Poschinger, Bismarck und die Parlamentarier III, 252.
	        
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