Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

538 Fünfzehntes Kapitel 17. Dezember 
Offiziersstand Frankreichs findet dieses ehrlose Benehmen in der 
Ordnung. Danach aber wird den deutschen Regierungen die Pflicht 
auferlegt, zu untersuchen, ob die den französischen Offizieren bisher 
gewährten Erleichterungen ihrer Gefangenschaft mit den Interessen 
Deutschlands im Einklange stehen. Sodann aber wird man sich 
unsrerseits die Frage vorzulegen haben, ob sich ein Vertrauen auf 
die Zusagen, die die jetzige französische Regierung bei Verträgen 
mit den Deutschen giebt, ohne materielle Bürgschaften, ohne Unter— 
pfänder für das Worthalten fernerhin rechtfertigt. 
Bei Tische war Herr von Arnim-Kröchlendorff.1 der Schwager 
des Ministers, ein Herr mit energischem Gesichtsausdruck und röt- 
lichem Vollbart, anscheinend angehender Fünfziger, als Gast zu- 
gegen. Der Chef war recht gut gelaunt, das Gespräch aber diesmal 
nicht von besondrer Bedeutung. Es drehte sich meist um das Bom- 
bardement und die Stellung, die eine gewisse Partei im Haupt- 
quartier zu ihm eingenommen habe. 
Arnim erzählte, als Grävenitz mit dem Kronprinzen davon 
gesprochen habe, habe der gesagt: „Unmöglich, gar nichts zu machen, 
kommt nichts raus dabei.“" Und auf G.s Gegenrede habe er er- 
klärt: „Nun, wenn Sie das wissen, so machen Sies doch, so 
schießen Sie doch.“ Grävenitz habe darauf geantwortet: „Königliche 
Hoheit, ich kann nur Viktoria schießen." 
Dazu bemerkte der Chef: „Das ist doch ein recht zweideutiger 
Ausdruck. Übrigens hat er auch zu mir gesagt, wenn ich dächte, 
es ginge mit dem Bombardement, so sollte ich doch den Befehl 
übernehmen. Ich erwiderte, das wollte ich wohl für vierundzwanzig 
Stunden, aber nicht länger; denn (so setzte er — wohl wegen der 
Diener — auf Französisch hinzu) ich verstehe nichts davon, ich 
glaube, ungefähr so viel wie er, der auch nicht viel von solchen 
Sachen weiß."“ 
Plötzlich fragte der Chef Bucher: „Haben Sie Bleistift bei sich 
und Papier?“ 
„Ja.“ 
„Dann telegraphieren Sie doch (vermutlich an Delbrück): Der 
König wird morgen um zwei Uhr nachmittags die Reichstags- 
  
1 Mitglied der Kaiserdeputation.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.