Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

19. Dezember Fünfzehntes Kapitel 547. 
Telegramm, aber doch was andres, kürzer, bestimmter, zweifelloser. 
Ich reichte es ihnen zu und fragte: Nun, wie ist es jetzt? — Ja, 
so wirds gehen, sagten sie, und Moltke war auf einmal wieder 
jung und frisch wie vorher; denn er hatte nun den Krieg, sein 
Gewerbe. Und es ging wirklich, die Franzosen nahmen das abge— 
kürzte Telegramm, als es in den Zeitungen erschien, ganz erschreck— 
lich übel, und nach ein paar Tagen erklärten sie uns den Krieg.“ 
Der Minister bemerkte darauf, er habe ursprünglich gestern 
auch in die Kirche kommen wollen. „Ich hatte aber Angst, mich 
zu erkälten in dem Zuge — sagte er —, ich habe davon schon 
einmal die schrecklichsten Kopfschmerzen bekommen. Außerdem war 
mir auch bange, Rogge möchte zu viel sagen.“ 
Später kam er — auf welchem Wege, ist mir entfallen — auf 
den „Nußkrieg"“ zu reden, der sich nach der Schlacht bei Tannen- 
berg? entsponnen, und wo die streitenden Parteien sich ganz in 
dem großen wilden Walde verloren hätten, der sich, durchweg aus 
Nußbüschen und Eichen bestehend, damals von Bütow bis tief nach 
Polen hinein erstreckt habe. 
Damit wieder im Zusammenhange — wie, erinnere ich mich 
ebenfalls nicht mehr — berührte er die Schlacht bei Fehrbellin, 
und das brachte ihn auf alte Leute, die dies und das noch erlebt 
hätten. „Wir hatten da bei uns den alten Kuhhirten Brand 
— sagte er —, der mag wohl noch Leute gesprochen haben, die 
die Schlacht bei Fehrbellin mitgemacht hatten. Brand war eins 
jener alten Möbel, mit denen meine Jugenderinnerungen untrenn- 
bar verknüpft sind. Wenn er mir ins Gedächtnis kommt, ist mir 
immer wie Heidekraut und Wiesenblumen.“ — „Ja, es ist möglich, 
er war einundneunzig oder dreiundneunzig Jahre alt und starb 
1820 oder 1821. Den König Friedrich Wilhelm den Ersten hatte 
er noch gesehen, in Köslin, wo er ihm mit seinem Vater Vorspann- 
dienste geleistet hatte. Wenn er so um 1730 geboren war, ists 
wohl möglich, daß er noch Leute gekannt hat, die Fehrbellin erlebt 
hatten; denn das ist doch bloß fünfzig bis sechzig Jahre zurück.“ 
  
1 In doppelter Fassung jetzt bei M. Busch, Bismarck und sein Werk, 89 ff. 
nach zwei verschiednen Erzählungen Bismarcks; vgl. G. u. E. II, 85 ff. und 
Poschinger, Bismarck und die Parlamentarier II, 128 ff. 
2 15. Juli 1410. 
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