Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

548 Fünfzehntes Kapitel 20. Dezember 
Abeken hatte auch seine bedeutsame Jugenderinnerung: er 
hatte den Dichter Göckingk, der in den letzten zwanziger Jahren 
starb, gesehen, wobei man erfuhr, daß der alte Knabe 1809 ge- 
boren ist. 
Der Chef äußerte dann, es könnte sein, daß er als Kind noch 
Zöpfe gesehen habe. „Von Ihnen — fuhr er zu Abeken gewandt 
fort — ist mirs wahrscheinlich, da Sie doch fünf oder sechs Jahre 
alter sind als ich.“ 
Er gelangte sodann wieder nach Pommern zurück und, wenn 
ich nicht irre, nach Varzin, wo ein Piemontese aus dem letzten 
Franzosenkriege zurückgeblieben war, der ihn deshalb interessierte, 
weil er sich zu einem angesehenen Manne emporgearbeitet hatte und, 
obwohl ursprünglich katholisch, sogar Kirchenvorstand geworden war. 
Als ein ähnliches Beispiel zufällig sitzen gebliebner und gediehener 
Leute führte er andre Italiener an, die als Kriegsgefangne in diese 
Gegend Hinterpommerns geraten und geblieben waren und Familien 
gegründet haben, die sich von den Nachbarn nur noch durch ihre 
Gesichtsbildung unterschieden. 
Zuletzt sprach man von Mühler, mit dem Abeken befreundet 
ist, und von dem er dieser Tage gegen Keudell äußerte, er sei ganz 
unersetzlich, und von der Einwirkung der Frau dieses Ministers 
auf seine Entschlüsse und seine gesamte Haltung wandte sich das 
Gespräch auf den Einfluß, den gescheite und energische Frauen auf 
ihre Männer überhaupt üben. 
„IJa##sagte der Chef —, wo so ein Verhältnis ist, weiß 
man oft nicht, wem man das Verdienst oder den Schaden zu- 
schreiben soll, quid ipse kecit et quid mulier kecit. Und ebenso 
umgekehrt. Usedom z. B., was ist das für ein liebenswürdiger 
Mensch! Wenn er nur die Frau nicht hätte.“ 
Der Minister kehrte erst nach zehn Uhr vom Kronprinzen 
zurück und ging dann mit dessen Hofmarschall, der zehn Minuten 
nach ihm anlangte, noch eine Weile im Garten spazieren. Als ich 
später vom Thee in meine Stube hinauf will, flüstert mir Engel 
die Treppe hinauf nach: „Wissen Sies schon, Herr Doktor, morgen 
abend speist der Kronprinz bei uns.“ 
Dienstag, den 20. Dezember. Mildes, trübes Wetter. 
Ich telegraphiere wieder verschiedne kleine militärische Erfolge und
	        
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