552 Fünfzehntes Kapitel 20. Dezember
Adjutanten bei uns.! Er hatte die Zeichen seiner neuen mili—
tärischen Würde, große gekreuzte Marschallsstäbe auf den Achsel-
klappen. Bei Tische saß er obenan, der Chef zu seiner Rechten
und Abeken ihm zur Linken. Man sprach nach der Suppe
zunächst von dem Thema, das ich diesen Morgen für die Presse
bearbeitet hatte, daß nämlich Gambetta, nach einer Mitteilung
Israels, des Sekretärs Lauriers, des Agenten der Provisorischen
Regierung in London, an eine erfolgreiche Verteidigung nicht
mehr glaube und auf unfre Forderungen hin Frieden zu schließen
geneigt sei. Trochu sei der einzige von den Regenten Frank-
reichs, der weiter kämpfen wolle, und die andern hätten sich,
als er die Leitung der Verteidigung von Paris übernommen hatte,
gegen ihn verpflichtet, in dieser Beziehung immer im Einklang mit
ihm zu handeln.
Der Kanzler bemerkte: „Er soll den Mont Valérien haben
für zwei Monate verproviantieren lassen, um sich dahin mit den
regulären Truppen, die zu ihm halten, zurückzuziehen, wenn die
Stadt übergeben werden muß — wahrscheinlich um den Friedens-
schluß zu beeinflussen.“ — „Ich glaube überhaupt — fuhr er fort —,
daß Frankreich bald einmal in verschiedne Teile zerfallen wird —
in Parteien ist es schon. Sie sind in den verschiednen Gegenden
sehr verschiedner Meinung, in der Bretagne Legitimisten, im Süden
rote Republikaner, anderswo gemäßigte, und die reguläre Armee
gehört noch dem Kaiser, wenigstens die Mehrzahl der Offiziere.
Es kann kommen, daß jeder Teil seiner Überzeugung folgt, ein
republikanischer, einer, wo die Bourbonen, einer, wo die Orleans
die meisten Anhänger haben, und dann die Leute Napoleons —
Tetrarchen von Judäa, Galiläa u. s. w.“
Der Kronprinz äußerte, es hieße, Paris müsse unterirdische
Verbindungen mit der Außenwelt haben.
Der Chef glaubte das auch und sagte: „Lebensmittel wird es
auf dem Wege nicht bekommen, wohl aber Nachrichten. Ich habe
schon gedacht, ob es nicht möglich wäre, die Katakomben durch die
Seine mit Wasser zu füllen und so wenigstens die tieferliegenden
1 Über dies Diner sagt der Kronprinz in seinem Tagebuch: „Ich esse bei
Bismarck, die Beamten saßen stumm, die Lichter staken in Flaschenhälsen.“