Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

20. Dezember Fünfzehntes Kapitel 555 
Tagelöhnern und was dahin gehört. So ein Edelmann, der selber 
nichts hat, füttert eine Menge Leute, Diener aller Art, die auch 
Schlachtitzen (Edelleute) sind, aber seine Bedienten, Vögte, Schreiber 
machen. Die hat er für sich, wenn er aufsteht, und die Tagelöhner, 
die Komorniks. Die freien Bauern thun nicht mit, auch wenn der 
Priester, der immer gegen uns ist, sie aufwiegelt.“ — „Das haben 
wir in Posen gesehen, wo die polnischen Regimenter nur deshalb 
weggezogen werden mußten, weil sie gegen ihre Landsleute zu 
grausam waren.“ — „Ich erinnere mich, nicht weit von unfrer 
Gegend, in Pommern, war einmal ein Markt, wo viele Kassuben 
sich eingestellt hatten. Da kams bei einem Handel zum Streit, 
weil ein Deutscher zu einem Kassuben gesagt hatte, er wolle ihm 
die Kuh nicht verkaufen, weil er ein Pole wäre. Der nahm das 
sehr übel. Du sagst, ich bin Polack, nein, ich bin Prussack, wie 
du,« und daraus entwickelte sich, indem andre Deutsche und Polen 
sich hineinmischten, die schönste Prügelei.“ 
Der Chef fügte dann in diesem Zusammenhange noch hinzu, 
daß der Große Kurfürst so gut polnisch wie deutsch gesprochen hätte, 
und die spätern Könige hätten gleichfalls polnisch verstanden. Erst 
Friedrich der Große habe sich damit nicht abgegeben; der habe aber 
auch besser französisch als deutsch gesprochen. 
„Das mag alles sein, aber ich will einmal nicht, ich mag 
nicht polnisch lernen, sie müssen deutsch lernen,“ sagte der Kron- 
prinz, und damit hatte die Erörterung dieses Gegenstandes ein 
Ende. 
Als immer neue feine Gerichte aufgetragen wurden, bemerkte 
der Kronprinz: „Aber hier geht es ja schwelgerisch her. Wie wohl 
genährt sehen die Herren von Ihrem Büreau aus, mit Ausnahme 
Buchers, der wohl noch nicht so lange hier ist." 
„Ja — entgegnete der Chef —, das kommt von den Liebes- 
gaben. Es ist eine Eigentümlichkeit des Auswärtigen Amts, diese 
Zusendungen von Rheinwein und Pasteten und Spickgänsen und 
Gänselebern. Die Leute wollen durchaus einen fetten Kanzler 
haben.“ 
Der Kronprinz brachte darauf das Gespräch auf das Chiffrieren 
und Dechiffrieren und fragte, ob das schwer sei. 
Der Minister setzte ihm die Handgriffe dieses Gewerbes aus-
	        
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