558 Fünfzehntes Kapitel 21. Dezember
Mersen zwischen Karl dem Kahlen und Ludwig dem Deutschen, der
im Jahre 870 — also gerade vor tausend Jahren — bei der
Teilung Lothringens die erste deutsch-französische Grenze feststellte,
für die Presse ausgezogen. Nachmittags, als der Chef ausgeritten
war, mit Wollmann einen Spaziergang unternommen. Scharfer
kalter Wind, etwa Gefrierpunkt. Wir wollen in den Schloßpark,
aber das Gitter vor dem Bassin des Neptun ist geschlossen, und
auch am Durchgange neben der Kapelle läßt uns die Schildwache
nicht passieren. Man erfährt, daß in der Stadt eine Haussuchung
im Gange ist. 1 Es heißt weiter, daß man nach versteckten Gewehren
fahndet, andern zufolge auch nach Individuen, die sich zum Zweck
eines Putsches in die Stadt eingeschlichen hätten, was nicht wohl
zu glauben ist. Wir durchwandern nun die Stadt. Auf der Avenue
de St. Cloud sind die Matrosen aufgestellt, mit deren Befehlshaber
wir unsern Chef sprechen sehen. Auf der Rue de la Pompe stehen
auf der rechten Seite vor jedem Hause Infanterieposten, an der Place
Hoche hält ein Dragonerkommando. Alle Ausgänge aus der Stadt
sind gesperrt. Wir sehen Blusenmänner arretieren und auf der
Avenue de Paris einen Büchsenmacher, dem ein Soldat eine Anzahl
Jagdgewehre nachträgt. Auch ein Geistlicher wird eingebracht. Zuletzt
hatte man etwa ein Dutzend Schuldige oder Verdächtige beisammen,
die in das Gefängnis auf der Rue de St. Pierre wandern mußten,
wo sie auf dem Hofe aufgestellt wurden. Es waren einige recht
verwogne Gesichter darunter. Es hieß, daß man bei einem Büchsen-
schmied 43 Gewehre und einen Lauf gefunden habe — was ihm
vermutlich nicht gut bekommen wird.)
Bei Tische war Lauer Gast des Chefs.? Es wurde davon
gesprochen, daß man in Paris schon alle eßbaren Tiere des Jardin
des Plantes verspeist haben soll, und Hatzfeldt erzählte, daß man
die Kamele für viertausend Franken verkauft habe, und daß der
Rüssel des Elefanten von einer Gesellschaft von Feinschmeckern
gegessen worden sei; der soll ein vortreffliches Gericht abgeben.
1 Vgl. Schneider III, 123 f.
*) Der Mann hieß Listray und kam, da ihm wahrscheinlich nur Waffen-
verheimlichung nachzuweisen war, ziemlich glücklich weg. Man ließ ihn einfach
eine unfreiwillige Reise nach Deutschland antreten.
2 Abeken 472 vom 21. Dezember.