25. Dezember Fünfzehntes Kapitel 577
hieran einen großen Teil der Schuld. Sie hat den Volkskrieg ent—
fesselt und kann die von ihr angefachten Leidenschaften nicht mehr
im Zaume halten, die sich über das Völkerrecht und allen Kriegs—
brauch hinwegsetzen. Auf sie vor allem fällt die Verantwortlichkeit
für alle Härte, mit der wir gegen unsern Wunsch und, wie die
Kriege in Schleswig und OÖsterreich zeigen, gegen unfre Natur und
Gewohnheit in Frankreich das Kriegsrecht handhaben müssen.
Der Chef bekommt abends um zehn Uhr noch das Eiserne
Kreuz erster Klasse. Abeken und Keudell erfreuten sich der zweiten
Klasse dieses Brustschmuckes schon am Nachmittag.1
Beim Thee teilte mir Hatzfeldt mit, er solle alle Notizen der
Zeitungen über die Grausamkeiten der Franzosen sammeln. Ob ich
das nicht lieber thun wolle? Nachdem ichs versprochen hatte, fuhr
er fort: „Ich glaube übrigens, daß er mich nur holen ließ, um
mir seine Meinung über die neue Dekoration zu sagen. Er äußerte:
iIch habe jetzt schon genug! Da schickt mir der gute König nun
noch die erste Klasse des Eisernen Kreuzes. Ich werde komplett
lächerlich damit aussehen, wie wenn ich eine große Schlacht ge-
wonnen hätte. Wenn ich nur wenigstens die zweite Klasse, die ich
nun nicht mehr brauche, meinem Sohn schicken könnte.“
Hatzfeldt erzählte über Pfuel, von dem er vorher bemerkt hatte,
daß er das Pulver nicht erfunden habe: „Als die Herren gestern
gingen, begleitete ich sie höflich hinaus, und wie ich zurückkam in
den Salon, sah mich der Minister mit großen Augen an und sagte:
„Na, was habe ich Ihnen gesagt? Auch die freudigsten über-
raschungen haben geschäftlich bisweilen ihr Bedenkliches.“ Er hatte
das vor einiger Zeit gegen ihn geäußert, als es an Kandidaten
für Präfektenstellen gefehlt hatte und Dr. Pfuel genannt worden
war, über den der Minister dann an Eulenburg telegraphiert hatte,
er scheine ihm nicht recht geeignet zu sein.
Sonntag, den 25. Dezember. Es ist früh wieder sehr
kalt, aber trotzdem begiebt sich Abeken in die Schloßkirche zur
Predigt. Theiß sagt, indem er mir dessen Rock mit dem Kreuze
zeigt: „Heute geht der Herr Geheimrat gewiß nicht im Mantel aus."
Im Büreau erfährt man, daß der Kardinal Bonnechose von
1 Abeken 472 f.
Busch, Tagebuchblätter 1 37