Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

20. Juli Erstes Kapitel 45 
Sultans gegenüber seinem Chedive, es war Größenwahnsinn, bei 
dem alles nur auf dem Bajonett beruhte. Jetzt wankt ihr Dünkel, 
und sie sehen sich nach der Hilfe von guten Freunden um, die ihnen 
angebliche Verpflichtungen schulden.“ 
Später diktiert mir der Minister folgende Gedanken zur Aus— 
führung für „auswärtige deutsche Blätter, namentlich die Kölnische 
Zeitung, sowie für englische und belgische Journale“: 
„1. Unter den entscheidenden Momenten, die Frankreich zum 
Kriege bestimmt haben, spielten nach vertraulichen Angaben aus be- 
kehrten Welfenkreisen die Berichte eine große Rolle, die Oberst Stoffel, 
der militärische Bevollmächtigte in Berlin, nach Paris geliefert hat. 
Derselbe hat, wie es scheint, mehr erfahren, als wahr ist, da keiner 
von seinen Berichterstattern die Zahlungen, die er für Nachrichten 
gewährte, missen wollte, weshalb ers mit der Wahrheit nicht genau 
nahm. Der Herr hat sich, wie man sagt, erzählen lassen, daß die 
Bewaffnung der preußischen Infanterie an Gewehren und Munition 
gegenwärtig in einer durchgreifenden Umwandlung begriffen, und 
daß infolge dessen der Moment, Preußen anzugreifen, jetzt so 
günstig sei, wie er schwerlich jemals wiederkommen werde, indem 
nach Vollendung der Reform der Bewaffnung Preußen noch unan- 
greifbarer sein werde.“) 
2. Es scheint jetzt zweifellos, daß die französische Regierung 
mit der hohenzollernschen Thronkandidatur schon seit Monaten 
bekannt war, daß sie dieselbe sorgfältig gefördert und in ihr thörichter- 
weise ein Mittel zu finden glaubte, Preußen zu isolieren und 
Spaltung in Deutschland zu erregen. Ob und inwieweit der 
Marschall Prim diese ganze Intrigue im Einverständnis mit dem 
Kaiser Napoleon vorbereitet hat, darüber fehlen bis jetzt noch ver- 
lässige Nachrichten; doch wird die Geschichte unzweifelhaft Auf- 
klärung liefern. Das plötzliche Verschwinden Spaniens von der 
politischen Bildfläche, nachdem der Streit zwischen Preußen und 
Frankreich eingefädelt war, giebt jedenfalls zum Nachdenken und 
zu Verdacht Anlaß. Nach dem Eifer, mit dem die spanische Re- 
gierung die hohenzollernsche Thronkandidatur betrieben hatte, mußte 
  
*) Die bekehrten Welfenkreise hatten hier die Unwahrheit gesagt. Stoffels 
Berichte waren im ganzen gut, er selbst ein achtbarer Charakter.
	        
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