Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

46 Erstes Kapitel 21. Juli 
es auffällig erscheinen, daß dieser Eifer plötzlich vom Siedepunkte 
auf den Gefrierpunkt erkaltete, und daß die Beziehungen des Mar— 
schalls Prim zu dem französischen Kabinette jetzt die freundschaft— 
lichsten zu sein scheinen, ohne daß in Spanien irgend welche Empfind— 
lichkeit über die französische Einmischung in die innern Angelegen— 
heiten dieses Landes zurückgeblieben wäre. 
3. Heute nachmittag war hier das Gerücht verbreitet, der 
bisherige französische Militärbevollmächtigte Baron Stoffel sei auf 
der Straße persönlichen Beleidigungen ausgesetzt gewesen. Nähere 
Nachforschungen haben ergeben, daß in der That einzelne Indi— 
viduen den ihnen bekannten Herrn auf der Straße verfolgt und, 
nachdem er sein Haus erreicht, mit Stöcken gegen die Thür ge— 
schlagen haben. Die Polizei ist auf die erste Nachricht, die ihr 
davon zu teil wurde, mit Energie eingeschritten und hat Sorge 
getragen, daß weiteres unterblieb, und daß die Abreise des Militär— 
bevollmächtigten heute abend unbelästigt stattfinden konnte. Jeden— 
falls sind Exzesse der Art, mögen sie sich auch auf Worte beschränken, 
im höchsten Grade zu tadeln. Die bisherigen Vertreter Frankreichs 
stehen, bis sie die deutsche Grenze überschritten haben, unter dem 
Schutze des Völkerrechts und der Ehre Deutschlands.“ 
21. Juli. Diesen Morgen fragte mich Keudell, ob ich den 
Schriftsteller Gustav Rasch kenne, und ob ich wisse, wo er sich jetzt 
aufhalte, hier oder wo sonst. Ich erwiderte, ich habe ihn 1864 in 
Schleswig und später an der Wirtstafel im Hotel Weißberg auf der 
Dessauer Straße gesehen, wo ich Ende Februar gewohnt hätte. Ich 
kenne ihn nicht genauer, habe aber gehört, daß er sehr eitel, ja 
bis zur Übergeschnapptheit von seiner Bedeutung eingenommen, 
und daß er ein politischer Phantast sei, der die Welt republikanisch 
machen wolle. Ob er jetzt hier sei, wisse ich nicht, wolle mich indes 
bei Weißberg nach ihm erkundigen. Keudell entgegnete, das solle 
ich thun und, wenn er noch da sei, ihn aufsuchen und fragen, ob er 
zu Garibaldi reisen, ihn zu einer Expedition gegen Rom veranlassen 
und ihm von uns dazu Geld überbringen wolle. 1 Ich bemerkte, da 
  
1 Nach Mitteilungen des bekannten Demokraten Karl Blind in London be- 
reitete die italienische Aktionspartei einen neuen Ansturm auf Rom vor für den 
Fall, daß Italien sich mit dem von den Ultramontanen beeinflußten Frankreich 
verbünden sollte, um ein kriegerisches Vorgehen des Königreichs zu verhindern.
	        
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