Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

27. Juli Erstes Kapitel 53 
und gar ohne Kenntnis und ohne Beziehung zu dem spanischen 
Antrage waren, Se. Majestät der König als Familienhaupt aber 
sich der Sache standhaft widersetzt hat, bis er im Juni dieses Jahres 
in Ems aus Rücksicht auf die Vorstellung, daß Spanien andernfalls 
der Republik verfallen werde, ungern seinen Widerspruch aufgab. 
Wir begreifen schwer, welches Interesse die französische Regierung 
jetzt nach Ausbruch des Kriegs noch am Lügen haben kann. Nur 
die gänzliche Isolierung der französischen Auffassung kann es er- 
klären, daß der Herzog von Gramont noch einmal das Nebelbild 
von der Wiederherstellung der Monarchie Kaiser Karls des Fünften 
vorzuführen versucht, das, kaum erschienen, vor dem zornigen Ge- 
lächter der über solche Zumutung an ihre Leichtgläubigkeit beleidigten 
öffentlichen Meinung Europas zerronnen ist." 
Der Kanzler will abends folgende Betrachtung in den Zei- 
tungen angestellt sehen: „Das Benedettische Aktenstück ist keineswegs 
das einzige in der Frage, mit der es sich beschäftigt. Die be- 
treffenden Verhandlungen sind vielmehr auch durch andre Organe, 
z. B. durch den Prinzen Napoleon während seiner Anwesenheit in 
Berlin, angeknüpft worden. Wenn die französische Diplomatie 
unwissend genug ist, um glauben zu können, daß ein deutscher 
Minister, der nationale Politik treibt, überhanpt die Möglichkeit 
vor sich hat, auf solche Anerbietungen einzugehen, so muß sie sich 
auch gefallen lassen, daß man sie mit ihrer eignen Politik so lange 
amüsiert, wie dieses französische Amüsement zur Erhaltung des 
Friedens nützlich erscheint.. Auch die unwissendste Politik, die 
bornierteste, kommt schließlich nach Jahren auf den Punkt, wo sie 
erkennt, daß sie Unmögliches gehofft und verlangt hat, und von 
dem Eintritt dieser Erkenntnis datiert jetzt die kriegerische Stimmung 
in Paris. Die Hoffnung deutscher Staatsmänner, die Franzosen so 
lange amüsieren zu können, bis in Frankreich selbst durch Anderung 
der absolutistischen Verfassung ein friedliebendes Regiment Platz 
greife, hat sich nach Gottes Willen leider nicht verwirklicht. Nachdem 
aber der Friede nicht mehr zu erhalten ist, ist auch nichts mehr zu 
verschweigen. Das Schweigen wurde eben lediglich behufs der Ver- 
längerung und womöglich vollständiger Bewahrung des Friedens 
beobachtet. . . . Setzen Sie — so schloß der Minister — noch hinzu, 
in den Verhandlungen sei auch von der französischen Schweiz die
	        
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