10. August Zweites Kapitel 57
zügen. Allenthalben, wo unsre Welle im Strom dieser modernen
Völkerwanderung an einem Orte vorüberbrauste, Hurra und
Schwenken von Hüten und Tüchern. überall, wo sie in ihrem
Laufe anhielt, kamen Leute herbei, die den Soldaten in den Wagen
zu essen und zu trinken brachten, alte Mütterchen darunter, gut—
herziges, hilfreiches, armes Volk, das nur Milchkaffee und trocknes
Schwarzbrot zu bieten hatte.
Der Rhein wurde bei Nacht passiert. Als es tagt, liegt ein
elegant gekleideter Herr neben uns am Boden, der mit einem andern,
in dem wir seinen Diener zu erkennen glauben, englisch spricht.
Es ergiebt sich, daß es der Londoner Bankier Deichmann ist, der
ebenfalls ins Hauptquartier will, um sich bei Roon die Erlaubnis
zu erbitten, als Freiwilliger in einem Kavallerieregiment den Krieg
mitzumachen, zu welchem Zwecke er gleich seine Pferde mitgebracht hat.
Auf seinen Rat fahren wir auf der Ebene vor Neustadt von Hos-
bach, wo der Zug durchaus nicht weiter zu wollen scheint, weil
vor ihm drei oder vier andre Züge das Geleis einnehmen, in einem
schnell besorgten Bauernwagen nach dem genannten pfälzischen
Städtchen, das von Soldaten, bayrischen Jägern, preußischen roten
Husaren, Sachsen und andern Uniformen wimmelt.
Hier wurde seit der Abfahrt von Berlin zum erstenmale
wieder warm gegessen. Bis dahin hatte es nur kalte Küche und
des Nachts wenig erfolgreiche Versuche gegeben, auf harten Holz-
bänken, die Reisetasche unter dem Kopfe, zu Schlaf zu kommen.
Indes gingen wir ja in den Krieg, auch hatte ichs bei Touren
mit minder lohnendem Ziel schon unbequemer gehabt.
Von Neustadt fuhren wir nach einstündigem Aufenthalt weiter,
quer durch die Hardt, durch enge Thäler mit Kiefern und durch
eine Anzahl von Tunneln, endlich in die Gebirgslücke hinaus, in
der Kaiserslautern liegt. Hatten in den letzten Stunden Sonnen-
blicke mit Regenschauern gewechselt, so goß es während der Fahrt
von hier bis Homburg beinahe ohne Unterbrechung wie mit Mulden,
sodaß der kleine Ort, als wir nach zehn Uhr in seinem Bahnhofe
hielten, nur Nacht und Wasser zu sein schien. Wir stiegen, unfre
Koffer auf den Schultern, in den peitschenden Regen hinaus, wateten
durch Sümpfe und Tümpel, stolperten über Eisenbahnschienen und
tasteten und fragten uns nach dem Gasthofe „Zur Post,“ wo