11. August Zweites Kapitel 61
Stunde nach unserm Aufbruch von Sankt Johann waren wir auf
französischem Boden. Von dem blutigen Kampfe, der fünf Tage
vorher hier oben hart an der Grenze gewütet hatte, waren noch
mancherlei Spuren vorhanden; von Kugeln abgerissene Baumäste,
weggeworfne Tornister, Fetzen von Kleidern und Leinenzeug auf
den Stoppelfeldern, niedergetretnes Kartoffelkraut, zerschossene Räder,
Gruben, von Granaten gewühlt, kleine, roh zusammengebundne Holz-
kreuze, vielleicht die Stelle bezeichnend, wo Offiziere beerdigt worden
waren, u. dergl. Die Toten aber waren, soweit man sehen konnte,
sämtlich schon bestattet.
Und hier am Anfang unfrer Reise durch Frankreich will ich
in meiner Erzählung für eine Weile abbrechen, um einige Worte
über das mobilisierte Auswärtige Amt und über die Art und Weise-
zu sagen, wie der Kanzler mit seinen Leuten reiste, wohnte, ar-
beitete und überhaupt lebte. Der Minister hatte sich zu seiner
Begleitung die Wirklichen Geheimen Legationsräte Abeken und
von Keudell, den früher mehrere Jahre der Gesandtschaft in Paris
zugeteilt gewesenen Wirklichen Legationsrat Graf Hatzfeldt und den
Legationsrat Graf Bismarck-Bohlen gewählt. Dazu kam der Ge-
heimsekretär Bölsing vom Zentralbüreau, die Chiffreure Willisch und.
St. Blanquart, endlich ich. Als Boten und Aufwärter gingen
die Kanzleidiener Engel, Theiß und Eigenbrodt mit; der letzte
wurde anfangs September durch den flinken und anstelligen Krüger
ersetzt. In ähnlicher Eigenschaft begleitete uns Herr Leverström,
der damals vielgenannte „schwarze Reiter,“ der sonst in den Straßen
Berlins für das Ministerium Stafettendienste that. Die Sorge
für unser Leibliches war einem Koch anbefohlen, der während der
Fahrt als Trainsoldat fungierte und dessen Name Schulz oder Schultz
war. Man sieht, ich bestrebe mich, genau zu sein und niemand an
seinem Namen oder Titel zu verkürzen. In Ferrieres vervoll-
ständigte sich der Kreis der Räte durch Lothar Bucher, auch schloß
sich uns hier ein dritter Chiffreur, Herr Wiehr, an. In Versailles
endlich traten noch der jetzige Legationsrat von Holstein, der junge
Graf Wartensleben und — für nicht zum Bereiche des Auswärtigen
Amts gehörende Zwecke — der Geheime Oberregierungsrat Wagener
binzu. Bölsing wurde hier nach einigen Wochen als unwohl ge-
worden durch den Geheimsekretär Wollmann ersetzt, und die ge-