Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

11. August Drittes Kapitel 67 
schein nach wohlhabend war, hatte sich am Tage vor unsrer An— 
kunft mit seiner Frau entfernt und nur ein altes Weib, das lediglich 
französisch sprach, sowie eine Magd zurückgelassen. Der Minister be— 
wohnte das eine Vorderzimmer, die übrigen teilten sich in die Stuben, 
die auf den Gang mündeten, der zu den hintern Gemächern führte. 
In einer halben Stunde war in dem ersten jener hintern Räume 
das Büreau eingerichtet, das zugleich als Schlafstätte für Keudell 
dienen sollte. Das Zimmer daneben, das ebenfalls auf den Garten 
hinaussah, wurde für Abeken und mich bestimmt. Dieser schlief in 
einem Himmelbett in einer Wandnische, wobei er sich zu Häupten 
das Bild des Gekreuzigten und über den Füßen eine Mutter Gottes 
mit dem blutenden Herzen hatte — die Leute im Hause waren also 
wohl katholisch. Für mich machte man ein bequemes Lager auf 
den Dielen zurecht. Das Büreau begann sofort fleißig zu arbeiten, 
und da es für mich vorläufig in meinem Fache nichts zu thun gab, 
versuchte ich beim Dechiffrieren von Depeschen zu helfen, einer Mani— 
pulation, die keine erheblichen Schwierigkeiten bietet. 1 
Abends nach sieben Uhr aßen wir mit dem Grafen in der an 
dessen Zimmer anstoßenden kleinen Stube, deren Fenster sich auf 
den mit Blumenbeeten geschmückten schmalen Hof öffneten. Die 
Unterhaltung bei Tische war lebhaft, doch sprach vorwiegend der 
Minister. Er hielt einen Überfall nicht für unmöglich; denn, wie 
er sich auf einem Ausfluge überzeugt hatte, standen unfre Vor- 
posten nur drei Viertelstunden Wegs von der Stadt und sehr weit 
aus einander. Er hatte eine Feldwache gefragt, wo die nächste 
wäre, aber die Leute hatten es nicht gewußt. Dann erzählte er: 
„Bei dem Gange sah ich, wie mir einer auf den Fersen folgte, 
der eine Axt auf der Schulter hatte — ich hielt die Hand am 
Degen — man weiß nicht, was unter Umständen — aber ich wäre 
wohl eher fertig geworden als er.“ Später bemerkte er, unser Haus- 
wirt habe bei seiner Flucht alle Schränke voll Wäsche zurückgelassen, 
und fügte hinzu: „Wenn nach uns etwa ein Lazarett hierher kommt, 
wird man die schönen Hemden seiner Frau zu Charpie und Binden 
  
1 1 Darüber Abeken S. 388 von St. Avold, 11. August (nachmittags nach 
ndier Uhr): unfre Büreaubeamten, die das höchste Lob wegen ihrer Thätigkeit 
ind Aufopferung verdienen und heute Unglaubliches geleistet haben, um den 
Kurier nach Berlin noch vor unsrer Abreise nach Saarbrücken abzufertigen."“
	        
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