Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

29. Januar Achtzehntes Kapitel 105 
zösisch geführt. Der Franzose war heute, wo Favre und der General 
nicht zugegen waren — Favre war noch im Hause, ließ sich aber, 
da er sehr beschäftigt war, sein Essen in den kleinen Salon hinauf— 
bringen —, noch lebhafter, aufgeweckter, amüsanter als gestern. Er 
bestritt längere Zeit allein die Kosten der Unterhaltung, indem er 
eine Schnurre und Anekdote nach der andern erzählte. Auch er 
berichtete, daß die Hungersnot in der Stadt zuletzt recht fühlbar 
gewesen sei, doch schien er mehr deren heitere Seite als die ernste 
zu kennen. Die interessanteste Periode dieser Fastenzeit war ihm, 
wie er behauptete, die gewesen, wo sie „den Jardin des Plantes 
aufgegessen hatten.“ Das Elefantenfleisch habe, so erzählte er 
weiter, zwanzig Franken das Kilo gekostet und wie grobes Rind— 
fleisch geschmeckt. Es habe damals wirklich flet de chameau und 
cotelettes de tigre gegeben — was wir wie verschiednes andre in 
seinem Berichte dahingestellt sein lassen. Der Hundefleischmarkt habe 
sich an der Rue Saint Honoré befunden, und das Kilo sei auf 
zwei Franken fünfzig Centimes zu stehen gekommen. Man sähe 
fast gar keine Hunde mehr in Paris, und wo einmal einer um die 
Ecke käme, wären gleich drei oder vier Leute hinter ihm her auf 
der Jagd. Ahnlich ginge es mit den Katzen. Wäre irgendwo eine 
Taube auf einem Dache zu sehen, so wäre im Nu die Straße voll 
Menschen, die hinauf wollten, um sie zu greifen. Nur die Brief- 
tauben würden verschont. Die Depeschen säßen bei denen an der 
mittelsten von den Schwanzfedern, deren sie neun haben müßten. 
Hätte eine bloß acht, so hieße es: Ce m'est pas qu’un eiwyil, 
und sie müßte den Weg alles Fleisches gehen. Eine Dame solle 
gesagt haben: Jamais je ne mangerai plus de pigeon, car j7 
croirais toujours avoir mangeé un facteur. 
Der Chef erzählte ihm für diese und andre Historien ver- 
schiedne Dinge, die man in den Salons und Klubs von Paris 
noch nicht wissen und gern hören könnte, z. B. das ordinäre Be- 
tragen Rothschilds in Ferrieres und die Metamorphose, bei der 
Großvater Amschel durch den Kurfürsten von Hessen aus einem 
kleinen Juden ein großer geworden sei. Er nannte diesen wieder- 
holt juif de la cour und kam dabei auf eine Charakteristik der 
Haussjuden des polnischen Adels. 
Als Bohlen später berichtete, er habe auch (einem Auftrag
	        
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