Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

112 Achtzehntes Kapitel 30. Januar 
Wünsche aufdringen, habe er weiter bemerkt und dann geschlossen: 
La patrie veut étre servie et pas dominée. Dieser Ausspruch habe 
den Pariser Herren sehr imponiert (natürlich durch die prägnante 
Form vorzüglich), und Favre habe gesagt: C'est bien juste, Monsieur 
le Comte, e'est profond! Ein andrer Franzose habe ebenfalls enthu- 
siastisch geäußert: Oui, Messieurs, c'est un mot profond. 
Bucher erzählte mir dann unten noch, indem er dieses Referat 
bestätigte, daß Favre auf die Rede des Chefs — der sie natürlich 
zur Belehrung der Franzosen gehalten hat, wie manche frühere 
Tischrede für andre Gäste — und auf das Lob ihrer Wahrheit 
und Tiefe die Betise habe folgen lassen: Néanmoins c'est un beau 
spectacle de voir un homme, qui n’'a jamais changé ses principes. 
Auch der Herr Eisenbahndirektor, der ihm übrigens erheblich klüger 
vorgekommen sei als Favre, habe in betreff des servie et pas do- 
mine hinzugefügt, freilich liefe das auf Unterordnung des genialen 
Individuums unter den Willen und die Meinung der Majorität hinaus, 
und die Majoritäten hätten stets wenig Verstand, wenig Sachkenntnis 
und wenig Charakter gehabt. Der Chef aber habe darauf sehr schön 
erwidert, wobei er schließlich das Bewußtsein seiner (scil. des ge- 
nialen Menschen, des Heros)! Verantwortlichkeit vor Gott als einen 
seiner Leitsterne hervorgehoben habe und dem droit du génie gegen- 
über, das jener habe hochhalten wollen, das devoir — womit er doch 
wohl das gemeint hat, was von Kant als kategorischer Imperativ 
bezeichnet wird — als das Vornehmere und Mächtigere betont habe. 
Abends spät — es war elf Uhr vorüber — kam der Kanzler 
noch zu uns zum Thee herunter.? Es waren diesmal außer 
Wagener und mir die Barone Holstein und Keudell und eine wahre 
Grafenbank: Hatzfeldt, Henckel, Maltzahn und Bismarck-Bohlen, ver- 
sammelt. Der Chef bemerkte: „Ich bin doch neugierig auf Gambetta, 
wie ders halten wird. Gambetta — das Beinchen auf Italienisch.“) — 
  
1 Es wird jetzt erlaubt sein, diese Parenthese einzufügen, die Fürst Bismarck 
bei der Durchsicht der Korrekturbogen der ersten Auflage gestrichen hatte. 
2 Er hatte noch nach Tisch mit den Franzosen verhandelt. Abeken 498 
vom 30. Januar abends. 
*) Gambetta ist der Name eines kleinen, hochbeinigen storch= oder reiher- 
artigen Sumpfvogels, aber auch die italienische Form des germanischen Gundobald, 
etwas wie der deutschjüdische Name Gumpelt.
	        
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