30. Januar Achtzehntes Kapitel 115
schließen; denn ich litt gerade daran, daß ich viel gehen mußte
und rasch. Dabei präsentierte jedesmal die Wache, was sehr
komisch war. Ich mochte abgewinkt haben, so viel ich- wollte, das
zweite mal, es half nichts; denn das dritte mal wars immer ein
andrer.
Es folgte dann eine hochinteressante, in die Einzelheiten ein-
gehende Auseinandersetzung der verschiednen Phasen, die der Ge-
danke des Anschlusses der süddeutschen Staaten an den Nordbund
durchlaufen hat. „Schon in Mainz — so berichtete der Kanzler —
schrieb der König von Bayern einen Brief an unsern allergnädigsten
Herrn, worin die Hoffnung angedeutet war, daß er nicht #media-
tisierte werden würde. 1 Es verstand sich von selbst, daß man ihn
darüber beruhigte. Aber der König wollte ihm keine unbedingte
Zusage geben. Das war unser erster Konflikt in diesem Kriege.
Ich sagte ihm, daß der König Ludwig dann wahrscheinlich seine
Truppen zurückziehen würde, und daß er dabei in seinem Rechte
wäre.“ — „Ich weiß noch, es war in dem Eckzimmer (des
großherzoglichen Schlosses), und es ging hart her.“ — „Später,
wie die ersten großen Erfolge bis Sedan da waren, kamen sie
auf was andres, es war das Projekt von einem Soldatenkaiser
über Deutschland, den die Truppen ausrufen sollten, die Bayern
mit. Das war nun nicht mein Fall.“ — „Hernach, wie Bray
herkam, da hatten sie wieder in München ihren Plan ausgedacht.
Sie waren da jetzt sicher und wollten mehr. Er brachte den Plan
von einem alternierenden Kaiser mit. Es könnte ja, wie er mir
sagte, ein Übereinkommen getroffen werden zwischen dem Nord-
deutschen Bunde und Bayern oder auch zwischen Deutschland und
Bayern. Wir könnten ganz gut inzwischen mit Baden und Württem-
berg abschließen und uns hernach mit Bayern verständigen.“ —
„Das paßte mir ganz gut. Wie ichs aber Delbrück sagte, wollte
der vom Stuhle fallen. Ich sagte ihm aber: Mein Gott, so lassen
Sies doch gut sein! Das ists ja gerade, was wir brauchen.# Und
1 Ludwig II. verstand darunter vermutlich jeden, auch den kleinsten Ver-
zicht auf Souveränitätsrechte. Schon bei der Abreise des Kronprinzen aus
München erhielt dieser einen Brief von ihm, „die Selbständigkeit Bayerns möge
beim Frieden gewahrt werden,“ Kaiser Friedrichs Tagebuch vom 27. Juli 1870.
Ahnlich schrieb er an Bismarck am 2. Dezember, G. u. E. I, 354.
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