Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

118 Achtzehntes Kapitel 31. Januar 
Unsre Franzosen dinieren wieder mit dem Chef. Ich esse mit 
Wollmann im Hotel des Reservoirs, wo wir unter andern Leuten 
auch die Marquise della Torre in Gesellschaft etlicher junger Leut— 
nants tafeln sehen. Es ist die blonde, magre, stark verlebte Dame, 
die mir mit ihren Hunden schon mehrmals auf der Straße und im 
Park begegnete. Sie ist von London gekommen und dient unter 
dem Genfer Kreuz. — 
Wir haben wieder mehrere Grad Kälte. Ich höre von Bucher 
beim Thee, daß der Chef sich über Tische wieder sehr stark über 
Garibaldi, den alten Phantasten, geäußert hat, als Favre ihn für 
einen Heros erklärte. 
Abends ist Duparc beim Minister. Nach zehn Uhr kommt 
dieser herunter und setzt sich zu uns. Er spricht zunächst wieder 
von dem unpraktischen Wesen der Franzosen, die in diesen Tagen 
mit ihm gearbeitet haben. Zwei Minister — Favre und der dies- 
mal mit herausgekommne Finanzminister Magnin — hätten sich 
heute wohl eine halbe Stunde mit einem Telegramm abgemüht. 
Davon nahm er Anlaß, sich über die Franzosen überhaupt 
und die ganze lateinische Rasse zu äußern und sie mit den ger- 
manischen Völkern zu vergleichen. „Die deutsche, die germanische 
Rasse — sagte er — ist sozusagen das männliche Prinzip, das 
durch Europa geht — befruchtend. Die keltischen und flawischen 
Völker sind weiblichen Geschlechts. Jenes Prinzip geht vor bis 
an die Nordsee und durch bis nach England hinüber.“ 
Ich erlaubte mir die Bemerkung: „Bis nach Amerika, bis in 
den Westen der Vereinigten Staaten, wo Leute von uns auch den 
besten Teil der Bevölkerung bilden und Einfluß auf die Sitten der 
andern üben.“ 
„Ja — erwiderte er —, das sind die Kinder, die Früchte 
davon.“ — „Man hats ja gesehen in Frankreich, wie die Franken 
da noch die Oberhand hatten. Die Revolution von 1789 war die 
Niederwerfung des germanischen Elements durch das keltische, und 
was sehen wir seitdem? — Und in Spanien — so lange da das 
gotische Blut vorwog. Und ebenso in Italien, wo in den obern 
Gegenden die Germanen ebenfalls die Hauptrolle spielten. Wie das 
ausgelebt hatte, war nichts Ordentliches mehr. Nicht viel anders 
ists in Rußland, wo die germanischen Waräger, die Ruriks, sie
	        
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