120 Achtzehntes Kapitel 31. Januar
gezeigt. Die andern wären erschrocken, ich aber hätte mich nicht
daran gekehrt und hätte ihn die Treppe hinuntergeworfen. Da hätte
ich zehn Jahre Gefängnis gekriegt und dürfte mich nicht rasieren.
Da ich aber damals einen Vollbart trug, was ich mir in Frank—
reich angewöhnt hatte, 1842, wo das eben aufkam, so hieß es, alle
Jahre einmal, in der Sylvesternacht, käme der Scharfrichter, der
schnitte mir ihn ab. — Es waren reiche und sonst gar nicht dumme
Bauern, die das erzählten, und sie sagten es nicht, weil sie was
gegen mich hatten, sondern ganz gutmütig und voll Mitleid mit
dem jungen Menschen. Das mit der Treppe war grob gedacht, es
that mir aber doch wohl, daß sie mir allein die Courage zutrauten,
daß ich mir durch den Stern nicht habe imponieren lassen."
An diese Mythe anknüpfend sprach man davon, daß sich auch
heute noch Sagen bilden, die wenig oder gar keine Begründung
in wirklich Geschehnem haben, und in diesem Zusammenhange fragte
ich: „Darf man wohl wissen, Exzellenz, ob die Geschichte von dem
Bierseidel irgendwie wahr ist, das Sie in einer Berliner Wirtschaft
einem auf dem Kopfe entzwei geschlagen haben sollen, weil er die
Königin gelästert oder nicht auf sie mit angestoßen hätte."
„Ja — erwiderte er —, aber ganz anders war sie und ohne
politische Beimischung. Ich ging eines Abends spät nach Hause,
es muß im Jahre 1847 gewesen sein, da begegnete ich einem, der
zuviel hatte und mit mir anbinden wollte. Als ich ihn aber wegen
anzüglicher Reden stellte, fand ich, daß es ein alter Bekannter war.
Es war (ich glaube, er sagte) auf der Jägerstraße. Wir hatten
uns lange nicht gesehen, und wie er mir den Vorschlag machte:
Komm, wollen da zu (er nannte einen Namen) gehen, ging ich mit,
obwohl ich eigentlich genug hatte. Wie wir aber unser Bier hatten,
schlief er ein. Nun war da neben uns ein Kreis von Leuten,
unter denen war einer, der ebenfalls mehr, als er vertrug, zu sich
genommen hatte und das durch lärmendes Benehmen bemerken ließ.
Ich trank ruhig mein Bier. Den aber verdroß es, daß ich so ruhig
war, und er fing an zu sticheln. Ich blieb stille, und das machte
ihn nur noch ärgerlicher und giftiger. Er stichelte immer lauter.
Ich wollte keine Händel, aber auch nicht gehen, weil sie sonst ge-
dacht hätten, ich fürchtete mich. Zuletzt aber mußte es ihm keine
Ruhe gelassen haben, er kam an meinen Tisch und drohte, mir das