Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

31. Januar Achtzehntes Kapitel 121 
Seidel ins Gesicht zu gießen, und das wurde mir zuviel. Ich stand 
auf und sagte ihm, er solle gehen, und als er darauf Miene 
machte, zu gießen, gab ich ihm eins unters Kinn, daß er der Länge 
nach hinschlug, den Stuhl und das Seidel zerbrach und über die 
ganze Stube bis an die Wand hinfuhr. Da kam die Wirtin, der 
sagte ich, sie möge sich beruhigen, den Stuhl und das Seidel würde 
ich bezahlen. Und zu den andern sagte ich: Sie sehen, meine 
Herren, daß ich keine Händel gesucht habe, und Sie sind Zeugen, 
daß ich mich so lange als möglich zurückgehalten habe; aber das 
kann man doch nicht verlangen, daß ich mir ein Glas Bier über 
den Kopf gießen lassen soll, bloß weil ich ruhig mein Seidel ge— 
trunken habe. Wenn der Herr einen Zahn dabei verloren haben 
sollte, so sollte es mir leid thun. Ich mußte mich aber meiner Haut 
wehren. Will übrigens noch jemand was wissen, hier ist meine 
Karte. — Da ergabs sich, daß es ganz vernünftige Leute waren, 
die ungefähr meine Ansichten hatten. Sie waren ärgerlich über 
ihren Kameraden und gaben mir Recht. Später traf ich zwei davon 
am Brandenburger Thor. Da sagte ich: Sie waren ja wohl dabei, 
meine Herren, als ich die Geschichte im Bierhause auf der Jäger- 
straße hatte. Wie ist es denn dem ergangen? Es sollte mir leid 
thun, wenn er Schaden davon behalten hätte. Man hätte ihn 
nämlich hinaustragen müssen. — Ach, sagten sie, der ist ganz wohl 
und munter, und auch die Zähne sind wieder fest geworden. Er 
ist übrigens ganz still geblieben und hat es sehr bedauert. Er war 
eben eingetreten, um als Arzt sein Jahr abzudienen, und da wäre 
es ihm sehr unlieb gewesen, wenn die Sache unter die Leute und 
vor seine Vorgesetzten gekommen wäre.“ 
Der Chef erzählte dann, daß er als Göttinger Student in drei 
Semestern achtundzwanzig Mensuren gehabt habe und immer gut 
davon gekommen sei. 
Ich sagte: „Aber einmal haben Exzellenz doch was abgekriegt. 
Wie hieß doch der kleine Hannoveraner? — Biedenrfeld." 
Er erwiderte: „Biedenweg, und klein war er auch nicht, fast 
so groß als ich. Das kam aber bloß davon, daß seine Klinge ab- 
sprang, die wahrscheinlich schlecht eingeschraubt war. Die fuhr mir 
ins Gesicht und blieb stecken. Sonst habe ich niemals was be- 
kommen. — Doch einmal, in Greifswald, wars nahe daran. Da
	        
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