124 Achtzehntes Kapitel 1. Februar
hängen. Ganze Häuserfronten, die drei Etagen hoch gewesen waren,
lagen in den Haupt= und Seitengassen, andre drohten, nach vorn
oder zurückgeneigt, den Einsturz. Allenthalben noch rauchender
Schutt und Brandgeruch, an drei oder vier Gebäuden noch züngelnde
Flämmchen am Rohr der Decken und am Balkenwerk der Wände
und Simse. Die Kirche, neu und in gefälligem gotischen Stil er-
baut, war bis auf ein paar Löcher im Dache unverletzt, alles
ringsum aber Ruine — ein furchtbares Bild vom Ernste des
Krieges! Von der Höhe der zerstörten Stadt hatte man eine hübsche
Aussicht auf das Thal der Seine, auf die Brücke, von der ein
Bogen gesprengt war, und auf den südlichen Teil von Paris mit
dem Gehölz von Boulogne. Wir hielten uns damit nicht auf,
sondern begaben uns rasch nach dem Schlosse, das, vor dem Kriege
der Sommeraufenthalt Napoleons, jetzt ebenfalls ein stiller Trümmer-
haufen war. Französische Granaten hatten es in einen solchen ver-
wandelt, während die Zerstörung der Stadt unser Werk gewesen
war. Der Zweck war dabei, wie es hieß, der gewesen, den Fran-
zosen die Möglichkeit zu entziehen, sich, wie bei dem Ausfalle vom
19. Januar, hier festzusetzen und einen Stützpunkt zu weitern An-
griffen auf unfre Stellungen zu gewinnen. Auch vom Schlosse
standen nur die Umfassungsmauern und einige von den Zwischen-
wänden noch aufrecht. Wir kletterten über seine Schutthaufen,
stiegen über die gefallnen Dach= und Deckenreste von Zimmer zu
Zimmer, soweit nicht weitere Einstürze drohten, und nahmen uns
von den herabgestürzten Marmorkapitälen und den verstümmelten
Statuen Andenken mit.
Auf dem Heimwege nach Saint Cloud wie auf der Rückfahrt
begegneten wir mehrmals kleinen Gesellschaften von Leuten, die mit
Betten und Hausrat aus Paris nach ihren heimatlichen Dörfern
zurückkehrten, und bei Ville d’'Avray kam uns eine Kompagnie
preußischer Artillerie entgegen, die nach dem Mont Valérien mar-
schierte.
Als ich halb sechs Uhr wieder auf der Rue de Provence ein-
1 In St. Cloud war am 19. Januar Straße für Straße erstürmt worden,
und da sich die tapfere Besatzung auch noch am nächsten Tage in einem Teile
der Stadt hielt, so wurde diese von der deutschen Artillerie in Brand geschossen
und eine Anzahl Häuser zerstört. Vgl. auch Verdy 284 vom 7. Februar.