Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

140 Achtzehntes Kapitel 4. Februar 
stunde sechsmal zu ihm geholt. Das eine mal gab er mir eine 
französische Lügenbroschüre: La guerre comme la font les Prussiens 
und bemerkte dazu: „Ich möchte Sie bitten, nach Berlin zu schreiben, 
sie sollen etwas Ahnliches in unserm Sinne zusammenstellen lassen, 
mit Anführung aller Grausamkeiten, Barbareien und Konventions- 
brüche der Franzosen. Aber nicht zu dick, sonst liest sie niemand, 
und es muß rasch geschehen.“ Das andre mal handelte sichs um 
mehrere Zeitungsausschnitte „zur Sammlung.“ 
Wieder ein andres mal zeigte er mir ein kleines Blatt, heraus- 
gegeben von einem gewissen Armand le Chevalier, 61, Rue Richelien 
und vorn mit einem Porträt des Reichskanzlers in Holzschnitt be- 
druckt, und sagte: „Sehen Sie mal, da empfiehlt einer mit Be- 
ziehung auf das Blindsche Attentat, mich zu ermorden, und giebt 
gleich mein Porträt dazu — wie die Photographie der Franctireurs. 
Sie wissen, in den Wäldern der Ardennen hat man in den Taschen 
der Franctireurs Photographien unfrer Holzläufer gefunden, die sie 
erschießen sollten. Zum Glück wird man hier nicht behaupten 
können, mein Bild wäre besonders getroffen — auch die Lebens- 
beschreibung nicht. Diese Stelle (er las sie vor und gab mir dann 
das Blatt mit) soll mit Nutzanwendung in die Presse gebracht 
werden und dann in die Broschüre kommen.“ 
Schließlich gab er mir noch einige französische Zeitungen, indem 
er sagte: „Da, sehen Sie nach, ob was drin ist für mich oder den 
König. Ich will machen, daß ich fort komme; denn sonst überfallen 
mich die aus Paris wieder.“ 
In dem Blatte des Monsieur Chevalier wird in der That von 
einem gewissen Ferragus (nach Bucher wahrscheinlich Mazzini) mit 
ziemlich dürren Worten gesagt, daß Frankreich eine Ermordung des 
Chefs beifällig begrüßen werde, obwohl er eigentlich ein Wohlthäter 
der Franzosen sei. Der Verfasser, dessen Stil nach der Schule 
Viktor Hugos schmeckt, sagt unter anderm: 
„Bismarck hat Frankreich vielleicht mehr Dienste geleistet als 
Deutschland. Er hat an einer falschen Einheit seines Landes ge- 
arbeitet, aber er hat sehr wirksam an der Wiedergeburt des unfrigen 
gearbeitet. Er hat uns vom Kaisertume befreit. Er hat uns die 
Thatkraft, den Haß des Fremden, die Liebe zum heimischen Boden, 
die Geringachtung des Lebens, die Opferwilligkeit, kurz, alle die
	        
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