Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

148 Achtzehntes Kapitel 5. Februar 
dessen in diesem Kriege wahrlich bereits genug geflossen ist. Warten 
wir eine Weile, bis die Umstände sich geändert haben, bis man in 
Paris kühler geworden ist. Der Einzug mit Glanz, die Besetzung 
eines Teils von Paris ist durch die Konvention vom 28. Januar 
keineswegs ausgeschlossen, sie ist in ihr sogar angedeutet. Artikel 4 
sagt nur: Während des Waffenstillstands wird das deutsche 
Heer Paris nicht betreten. Der Waffenstillstand wird aller Wahr- 
scheinlichkeit nach verlängert werden müssen, und dabei läßt sich als 
Gegenleistung für unsre Einwilligung die Bedingung stellen, daß 
wir in Paris einrücken, und dies wird dann, in etwa drei Wochen, 
ohne Kampf und Verlust auf unfrer Seite ausgeführt werden können. 
Die Nationalgarde wird ebenfalls aufgelöst und reorganisiert werden, 
aber allmählich, durch die französische Regierung. Wir können dazu 
nichts thun, haben nicht regieren zu helfen. Über den Frieden zu 
verhandeln hat Favre mit dem Bemerken abgelehnt, daß die Volks- 
vertretung dazu allein kompetent sei." 
Später nochmals zum Chef gerufen. — Ein Artikel der Volks- 
zeitung aus Köln zeigt, daß die Ultramontanen den Führern des 
Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins Geldunterstützung angeboten 
haben, wenn sie für die Wahl klerikaler Kandidaten wirken wollten. 
Der Minister sagte: „Sehen Sie hier — da wollte ich Sie bitten, 
daß gelegentlich in den Zeitungen von der Partei Savigny-Bebel 
gesprochen wird, und das muß sich wiederholen.“ Ich war schon 
in der Thür, als er mir nachrief: „Oder von der Fraktion Lieb- 
knecht-Savigny.“ Wir werden uns das merken und von Zeit zu 
Zeit in der Presse von dieser neuen Partei sprechen. 
5. Februar, Sonntag. Lauer Tag, der Frühling scheint 
schon im Anzuge zu sein. Früh fleißig gearbeitet. Bei Tische sind 
Favre, d'Hérisson und der Direktor der Westbahn, ein behaglich 
lächelndes breites Gesicht, dem Anschein nach etwa sechsunddreißig 
Jahre alt, Gäste des Chefs. Favre, der obenan sitzt, sieht sorgen- 
voll, mitgenommen und niedergeschlagen aus, läßt den Kopf auf die 
Seite oder zur Abwechslung auf die Brust hängen, desgleichen die 
Unterlippe, und hat, wenn er nicht ißt, die Hände auf dem Tischtuch 
übereinandergelegt, Zeichen der Ergebung in den Willen des Schick- 
sals, oder die Arme à la Napoléon premier gekreuzt, Zeichen, daß 
er bei näherer Betrachtung der Sachlage sich doch noch fühlt. Der
	        
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