Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

5. Februar Achtzehntes Kapitel 149 
Chef spricht während des Essens nur französisch und meist mit ge— 
dämpfter Stimme, und ich bin zu abgespannt, um ihm dabei gehörig 
folgen zu können. 
Abends mehrmals zum Chef geholt und verschiednes nach seiner 
Anweisung in die Presse abgelassen. Zunächst folgendes: Die vier 
Mitglieder der Delegation in Bordeaux haben, wie telegraphisch 
gemeldet wird, eine Bekanntmachung erlassen, in der sie die Gam— 
bettasche Verfügung in betreff der Wahlen aufrecht erhalten. Es 
heißt darin, das Mitglied der Pariser Regierung Jules Simon habe 
in Bordeaux die Anzeige eines Wahldekrets überbracht, das mit 
dem von seiten der Regierung in Bordeaux erlassenen nicht über— 
einstimme. Die Regierung in Paris sei seit vier Monaten ein- 
geschlossen und von jeder Verbindung mit der öffentlichen Meinung 
abgeschnitten gewesen, und noch mehr, sie sei gegenwärtig im Zu- 
stande der Kriegsgefangenschaft. Nichts spreche gegen die Annahmc, 
daß sie, besser unterrichtet, in Ubereinstimmung mit der Regierung 
in Bordeaux gehandelt haben würde, ebensowenig aber sei erwiesen, 
daß sie, als sie Jules Simon im allgemeinen den Auftrag zur Vor- 
nahme der Wahlen erteilt, in unbedingter und verletzender Weise 
sich gegen die Nichtwählbarkeit gewisser Personen habe entscheiden 
wollen. So aber halte die Regierung zu Bordeauz sich für ver- 
pflichtet, bei ihrem Wahldekrete zu bleiben, trotz der Einmischung 
des Grafen Bismarck in die innern Angelegenheiten des Landes, sie 
halte es aufrecht im Namen der Ehre und der Interessen Frankreichs. 
Damit ist der helle Zwiespalt ins feindliche Lager geworfen 
worden, und Gambettas Rücktritt kann jede Stunde erwartet werden.) 
Die Pariser Regierung hat in einer Proklamation an die Franzosen 
vom 4. (die im Journal Officiel steht, und die wir im Moniteur 
abdrucken werden) Gambetta mit dürren Worten als „ungerecht und 
tollfühn“ (si injuste et si téméraire) bezeichnet und dann erklärt: 
„Wir haben Frankreich zur freien Wahl einer Versammlung auf- 
gerufen, die in dieser äußersten Krisis ihre Willensmeinung zu er- 
kennen geben wird. Wir erkennen niemand das Recht zu, ihm eine 
  
*) „Sie fangen an, uneinig zu werden, und ich denke, daß Gambetta jetzt 
abgemeiert werden wird,“ hatte der Kanzler in betreff der obigen Nachrichten zu 
mir gesagt.
	        
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