Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

22. Februar Neunzehntes Kapitel 169 
sein wollen. S ist mit Belfort ebenso; auch dort ist alles fran- 
zösisch. Die Militärs aber werden Metz nicht missen wollen, und 
vielleicht haben sie recht.“ 1 
Heute waren die Generale von Kameke und von Tresckow bei 
uns zu Gaste. Der Chef erzählte von seiner heutigen zweiten Zu- 
sammenkunft mit Thiers: „Als ich das (ich hatte überhört, was) 
von ihm verlangte, fuhr er, der sich sonst sehr wohl zu beherrschen 
weiß, in die Höhe und sagte: Mais c'est une indignité! Ich ließ 
mich dadurch nicht irre machen, sprach aber von jetzt an deutsch zu 
ihm. Er hörte eine Weile zu und wußte augenscheinlich nicht, was 
er davon halten solle. Dann fing er an, in kläglichem Tone: Mais, 
Monsieur le Comte, vous savez bien, que je ne sais point ’alle- 
mand. Ich erwiderte ihm — jetzt wieder französisch: ? Als Sie vorhin 
von indignité redeten, fand ich, daß ich nicht genug französisch ver- 
stehe, und so zog ich vor, deutsch zu sprechen, wo ich weiß, was 
ich sage und höre.“ Sogleich begriff er, was ich wollte, und schrieb 
als Zugeständnis hin, was ich gefordert hatte, und was er vorher 
als eine Unwürdigkeit hingestellt hatte.“ 2 
„Und gestern — so fuhr er fort — sprach er von Europa, 
das sich hineinmischen würde, wenn wir unfre Forderungen nicht 
ermäßigten. Da erwiderte ich ihm aber: Sprechen Sie mir von 
Europa, so spreche ich Ihnen von Napoleon.“ Er wollte daran 
nicht glauben, von dem hätten sie nichts zu fürchten. Ich aber 
bewies es ihm, er solle an das Plebiszit denken und an die Bauern 
denken und an die Offiziere und Soldaten. Die Garde könne nur 
unter dem Kaiser die Stellung wieder haben, die sie gehabt hätte, 
und es könnte ihm bei einigem Geschick nicht schwer fallen, von den 
Soldaten, die Gefangne in Deutschland wären, hunderttausend zu 
gewinnen für sich, und wir brauchten sie dann bloß bewaffnet über 
die Grenze gehn zu lassen, so wäre Frankreich wieder sein.“ — — — 
„Wenn sie uns gute Friedensbedingungen zugeständen, so ließen wir 
1 Der Kronprinz in seinem Tagebuche vom 21. Februar: „Ich meine, 
Metz könne allenfalls geopfert werden, Bismarck stimmt mir zu, besorgt aber, 
den militärischen Forderungen gegenüber den kürzern zu ziehen.“ 
2 Etwas anders erzählte B. 1871 den Vorfall in Gastein in Gegenwart 
Beusts. Tischgespräche II, 65. Auch der Kronprinz hatte davon gehört, aber 
erst am 23. Februar.
	        
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