23. Februar Neunzehntes Kapitel 171
Zuletzt war von Gesandtschaftsberichten die Rede, über die der
Chef im allgemeinen gering zu denken schien. „Es ist großenteils
Papier und Tinte darauf — sagte er —, das Schlimmste ist, wenn
sies lang machen. Ja, bei Bernstorff, wenn der jedesmal ein solches
Ries Papier schickt, mit veralteten Zeitungsausschnitten, da ist mans
gewohnt. Aber wenn ein andrer einmal viel schreibt, da wird man
verdrießlich, weil doch in der Regel nichts drin ist.“ — „Wenn sie
einmal Geschichte schreiben danach, so ist nichts Ordentliches daraus
zu ersehen. Ich glaube, nach dreißig Jahren werden ihnen die
Archive geöffnet; man könnte sie viel eher hineinsehen lassen. Die
Depeschen und Berichte sind, auch wo sie einmal was enthalten,
solchen, die die Personen und Verhältnisse nicht kennen, nicht ver—
ständlich. Wer weiß da nach dreißig Jahren, was der Schreiber
selbst für ein Mann war, wie er die Dinge ansah, wie er sie seiner
Individualität nach darstellte? Und wer kennt die Personen allemal
näher, von denen er berichtet? Man muß wissen, was hat Gor—
tschakow oder was hat Gladstone oder Granville mit dem gemeint,
was der Gesandte berichtet? Eher sieht man noch was aus den
Zeitungen, deren sich die Regierungen ja auch bedienen, und wo
man häufig deutlicher sagt, was man will. Doch gehört auch dazu
Kenntnis der Verhältnisse. Die Hauptsache aber liegt immer in
Privatbriefen und konfidentiellen Mitteilungen, auch mündlichen,
was alles nicht zu den Akten kommt.“ — „Der Kaiser von Ruß—
land z. B. will uns im ganzen aufrichtig wohl — aus Tradition,
aus Familiengründen u. dergl. —, ebenso die Großfürstin Helene,
die auf ihn wirkt, ihn für uns beobachtet. Dagegen ist die Kaiserin
unsre Freundin nicht.“ — „Das erfährt man aber nur auf ver—
traulichem Wege und nicht auf amtlichem.“
23. Februar, Donnerstag. Wir behalten Metz. So er—
klärte der Chef heute bestimmt. Man müßte andernfalls große
Striche von Lothringen, deren Gewinnung man ins Auge gefaßt
hat, auch aufgeben. Diese Striche hätten etwa hundertundfünfzig—
tausend Einwohner, wären sehr fruchtbar, besonders im Moselthal,
und enthielten herrliche Lager von Eisenerz. Belfort dagegen scheint
man nicht behalten zu wollen. Der Einzug eines Teils unsrer
Armee in Paris ist jetzt wohl beschlossen. Ich schrieb heute abend
folgende Andeutung in den Moniteur: