Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

188 Zwanzigstes Kapitel 
Auf das Zimmer der geheimen Sekretäre folgt eine schmale 
einfenstrige Stube mit Bücherbrettern, Zeitungsrepositorien und 
andern Geräten, worunter sich der obenerwähnte geduldige Schreib- 
tisch mit dem Seitenstücke zu „Steter Tropf höhlt den Stein“ 
meiner Erinnerung am deutlichsten und dauerndsten eingeprägt hat, 
da mir an ihm mein Arbeitsplatz angewiesen worden war. An dieses 
Stübchen, das gleich den größern Zimmern der Sekretäre allen in 
den hintern Gemächern Untergebrachten als Durchgang dient, stößt 
ein noch kleineres, nur zwei große Schritte breites, das von diesen 
allein durch eine dünne Tapetenwand geschieden ist, und in dem 
bei all seiner Enge vom Sommer 1871 an zwei Räte, die Anti- 
poden Lothar Bucher und Aegidi, Ellbogenraum und ein paar 
Fuß mehr Gelegenheit zur Bewegung zu suchen genötigt gewesen 
sind und wunderbarerweise auch gefunden haben. Über den ersten 
muß ausführlich berichtet werden. Denn wenn dereinst die innere 
Geschichte der Bismarckischen Ara geschrieben werden kann, so wird 
darin der Name des kleinen anspruchslosen Mannes in dem un- 
scheinbaren Stübchen nicht fehlen dürfen, Bucher vielmehr vor allen 
andern Mitarbeitern des Kanzlers genannt werden müssen. Und 
zwar von Rechts wegen. Ich trage die Farbe keineswegs zu dick 
auf, wenn ich behaupte, daß er unter den Gehilfen, die unserm 
politischen Regenerator bei seinem Werke zur Hand gingen, in jeder 
Hinsicht der begabteste und kenntnisreichste, zugleich aber unbestreit- 
bar der charaktervollste, gewissenhafteste, selbstloseste und treueste war. 
Er war ein wahrhaft vornehmer Geist, und mit seinem klaren und 
feinen Verstande, seiner Fülle von Wissen, seinem ungewöhnlichen 
Geschick in politischen Geschäften und seiner starken Arbeitskraft, nach 
dem Lobe unsers Meisters, das er ihm einmal gegen mich zollte, 
„eine wahre Perle.“ Dies gebührend auszuführen, ist hier nicht 
Raum genug; Andeutungen und Umrisse müssen mit ein paar breitern 
Belegen hinreichen, dem Werte dieses seltenen Menschen einigermaßen 
gerecht zu werden. Das Tagebuch wird noch oft auf ihn zurück- 
kommen und hier Fehlendes nach Möglichkeit nachtragen.1# 
Adolf Lothar Bucher, wie sein voller Name lautet, wurde 
  
1 Dazu jetzt Poschinger, Ein Achtundvierziger. Lothar Buchers Leben 
und Werke. 3 Bände. Hamburg 1890/94.
	        
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