30. Dezember Sechzehntes Kapitel 7
Ich teilte die Nachricht von diesem ersten Erfolge des Bom—
bardements telegraphisch nach London mit, aber in Chiffern, „weil
man es sonst beim Generalstabe übel nehmen könnte.“
Später schickte der Kanzler noch einmal nach mir, um mir
ein Blatt der Kölnischen Zeitung zu zeigen, die einen Ausfall des
Wiener Tageblatts reproduziert, worin es heißt, Bismarck habe sich
über die Widerstandsfähigkeit von Paris gründlich getäuscht und
in dieser Übereilung, der jetzt Hunderttausende (warum nicht lieber
gleich Millionen?) zum Opfer fielen, zu hochgespannte Forderungen
in betreff des Friedens gestellt. Darauf wurde unfrerseits in der
Spenerschen Zeitung erwidert, niemand kenne die Friedensbedin=
gungen des Bundeskanzlers, da er noch nicht Gelegenheit gehabt
habe, sich amtlich darüber auszusprechen, jedenfalls seien sie nicht
so hochgespannt, als die der öffentlichen Meinung in Deutschland,
die fast einstimmig ganz Lothringen verlangt habe. Auch seine
Ansichten über die Widerstandsfähigkeit von Paris könne niemand
wissen, da er gleichfalls noch nicht in der Lage gewesen sei, sie
amtlich kundzugeben.
Wie den Tag über mehrmals lebhaftes Schießen aus grobem
Geschütz zu hören war, so auch in der Nacht bis nach zwölf Uhr.
Freitag, den 30. Dezember. Die bittere Kälte der letzten
Tage währt fort. Der Chef hütet wegen Unwohlseins noch immer
das Zimmer und meist auch das Bett. Früh auf seinen Befehl
erst Näheres über die Besetzung des Mont Avron, dann über die
schmähliche Prämie telegraphiert, mit der die gefangnen französischen
Offiziere nach amtlichem Eingeständnis der Delegation in Tours
zum Davongehn unter Bruch ihres Ehrenworts verlockt worden
sind. Ich schrieb ferner, vom Chef angeregt, Artikel über dieses
Thema für die deutsche Presse sowie für den hiesigen Moniteur
mit folgendem Gedankengange:
Wiederholt schon haben wir Gelegenheit genommen, auf die
tiefe Korruption aufmerksam zu machen, die sich in den Vorstellungen
vom Wesen der militärischen Ehre auf seiten gewisser Staatsmänner
und gewisser Offiziere der Armee Frankreichs kundgiebt. Eine Mit-
sind hochgespannt; die Gegner fangen an, sich zu bekehren. Der Kronprinz soll
offen gesagt haben: er gestehe, daß er sich geirrt habe.“ Vgl. Bismarckbriefe 465
vom 4. Januar.