196 Zwanzigstes Kapitel
vereins und wollten Deutschland durch „moraliche“ Mittel, mit
„Volkspolitik,“ Reden und Leitartikeln, Turner-, Sänger- und
Schützenfesten unter Preußen einigen, wogegen ihnen der Krieg
für diesen Zweck ein Greuel war. Auch hierin war Bucher als
Realist und Phrasenverächter entschieden andrer Meinung- als seine
Freunde von der Nationalzeitung, und die Verschiedenheit der An-
sichten wurde allmählich zur Entfremdung, mit der eine innere An-
näherung an Bismarcks Standpunkt in der deutschen Frage gleichen
Schritt ging, und das führte schließlich zum Zusammenwirken beider.
Bucher hatte das Verhältnis zur Nationalzeitung gelöst, die Be-
schäftigung im Wolffschen Telegraphenbüreau, die nun folgte, be-
friedigte ihn in keiner Weise, und so dachte er an eine Anstellung
als Sachwalter und schrieb deshalb an den Justizminister. Durch
diesen erfuhr Bismarck von dem Plane. Er ließ Bucher kommen
und bot ihm Beschäftigung im Auswärtigen Amte an, was nach
kurzem Bedenken angenommen wurde. Während die einstigen
demokratischen Glaubensgenossen den Minister 1864 noch mit zorn-
glühenden Redebomben bewarfen, war das von gesundem Menschen-
verstand, Erfahrung und Luftveränderung geheilte Mitglied der
frühern preußischen Bergpartei in Nummer 76 der Wilhelmstraße
schon in voller fruchtbringender Thätigkeit, die er nun zwei Jahr-
zehnte lang fortsetzte. In den verschiedensten Richtungen, als
Rechtskundiger, als Diplomat und als Publizist erwarb er sich
Verdienste um die neue deutsche Welt und rechtfertigte er reichlich
das Vertrauen dessen, der ihn zu seinem Mitarbeiter gewählt
hatte. In den Jahren 1865 bis 1867 war er vorzüglich mit der
Verwaltung Lauenburgs betraut, einer schwierigen Aufgabe, da dieses
Herzogtum, als es an Preußen fiel, mit seinem Recht und der
Methode seiner Verwaltung zwei Jahrhunderte hinter der Gegen-
wart zurückgeblieben war. Zu derselben Zeit, 1866, schrieb er
seinem Chef, natürlich in den Grundzügen nach dessen Angabe und
beiläufig in etwa vierundzwanzig Stunden, die Verfassung des
Norddeutschen Bundes, die bekanntermaßen in ihren hauptsächlichsten
Artikeln der des Deutschen Reiches wesentlich gleicht. Später wurde
er wiederholt zur Vorbereitung und bei der Ausführung bedeut-
samer politischer Arbeiten und Maßregeln verwandt. Auch diplo-
matischer Sendungen, darunter zweier von weltgeschichtlicher Natur