Einundzwanzigstes Kapitel
Von unsrer Rückkehr aus dem Kriege bis zum vor-
läufigen Aufhören meines persönlichen Verkehrs mit
dem Kanzler — Blicke in die diplomatische Welt —
RAufträge für die Presse
r* einigen Tagen der Erholung hatte man sich wieder an die
frühere Büreauthätigkeit gemacht und sich an sie von neuem
gewöhnt, sodaß alles wieder im alten Gleise ging, nur daß ich
mich jetzt der mir in Versailles zu teil gewordnen Vergünstigung
weiter erfreute, von allen Ein= und Ausgängen politischer Natur,
die im Auswärtigen Amte vorkamen, gleich Kenntnis nehmen zu
können. Einiges hiervon wurde dem Tagebuche in Gestalt kurzer
Notizen oder längerer Aufzeichnungen anvertraut, und eine Auswahl
davon wieder ist abgekürzt zwischen die übrigen Erfahrungen und
Beobachtungen dieser Zeit und eine Blumenlese aus den Aufträgen,
die ich in dieser Zeit vom Chef empfing und mir wie vorher für
die Zukunft notierte, eingeflochten. Und jetzt mögen diese vergilbten
Blätter selbst wieder reden.
24. März. Heute wie in den letzten Tagen ältere und neue
Depeschen und sonstige Korrespondenzen gelesen. Aus Wien ist ge-
meldet worden, daß die zwischen den Kaisern Wilhelm und Alexander
gewechselten Telegramme Beust „sehr bewegt“ haben, da hierin die
von Osterreich bis zur letzten Stunde bewahrte Enthaltung als eine
nicht freiwillige erscheine. Es ist ihm telegraphiert worden, das
Telegramm des deutschen Kaisers sei ein rein persönliches gewesen
und ohne Wissen des Ministers abgesandt worden. — M. in Kassel
hat berichtet, daß Madame Guisolphe aus Versailles in Wilhelms-
höhe bei Napoleon gewesen sei, ferner, daß Graf Clary, als
Monsieur Bertram auftretend, kurz vor unfrer Abreise zweimal im