21. April 1871 Einundzwanzigstes Kapitel 229
einbarkeit der klerikalen und ultramontanen Tendenzen mit den
Forderungen des nationalen Gemeinwesens behaupten.“ W. soll
in diesem Sinne vertraulich mit Bray sprechen. — Dies ist, wie
ich aus einem Berichte W.8 ersehe, geschehen, und der bayrische
Minister hat der obigen Auseinandersetzung zwar beigestimmt, doch
mehr aus Bedauern über das ungeschickte Auftreten der Klerikalen
im Reichstage, das den Regierungen das wünschenswerte Zusammen-
gehen mit ihr unmöglich mache, als auf Grund der Überzeugung,
nun gegen sie vorgehen zu müssen. Auch Döllinger, hat er ge-
äußert, wäre zu weit gegangen.
21. April. Der Chef wollte heute morgen einen Aufsatz
für die Kölnische Zeitung, worin die geistige Ohnmacht der Franzosen
im Vergleiche mit ihrer Einbildung hervorgehoben und auf den Um-
stand hingewiesen werden sollte, daß sie in der letzten Zeit immer
ihr Heil von Fremden erwartet hätten, ein Thema, für das er mir
den Gedankengang angab. Der Artikel lautete: „In dem Briefe
eines in diesen Tagen aus Paris geflüchteten, jetzt in Versailles.
befindlichen Nichtfranzosen heißt es: ? Die Truppen, über die die
Insurgenten verfügen, belaufen sich auf etwa 120000 Mann. Dazu
kommen noch zehn= oder zwölftausend mehr oder weniger überzeugte
Republikaner, die von auswärts, aus den Provinzen, aus Belgien
und aus England eingetroffen sind, und vielleicht ebensoviele von
den Geschwornen= oder Polizeigerichten verurteilte Verbrecher. Eine
große Anzahl der Nationalgarden verlangt, lediglich gezwungen
marschierend, nach nichts sehnlicher als nach dem Augenblicke, wo
man genötigt sein wird, die Waffen niederzulegen. Die übrigen
bestehen aus Arbeitern, die friedlicher Rückkehr zu ihren Werkstätten
den Sold der Kommune, die täglichen Katzbalgereien und das täg-
liche Vergnügen vorziehen, auf Gendarmen und ehemalige Polizei-
diener Jagd zu machen. Lange kann das nicht vorhalten, es wäre
gegen die Natur, wenn sich unter diesen Tausenden von faulenzenden
Arbeitern und unter diesen Insurgenten aus Furcht nicht bald Ekel
an solchem Leben, Überdruß über die Mühen des Soldatenhand-
werks und Auflösung der Disziplin geltend machten. Für jetzt weiß
sie allerdings Dombrowski noch zusammenzuhalten, indem er sich
einer gewissen Popularität erfreut. Es ist dies ein neues Zeichen
der außerordentlichen geistigen Verarmung und Willensschwäche der