2. Mai 1871 Einundzwanzigstes Kapitel 239
Nachteile abzuändern versuche. — Um das dadurch entstandne Miß-
trauen durch direkte Besprechung über verstärkte Bürgschaften oder
bestimmte Zahlungstermine der fünf Milliarden zu heben, schlägt
der Kanzler schließlich Favre eine Zusammenkunft in Frankfurt oder
Mainz vor, zu der ihm jeder Tag recht sei. Wie ich später sah, hat
Favre darauf telegraphiert, er wolle Freitag in Frankfurt erscheinen,
und der Chef hat — vielleicht weil ihm der Freitag ein Unglücks-
tag ist — darauf geantwortet, er werde Sonnabend kommen.
2. Mai, abends. Im Auftrage des Fürsten nach obigem Er-
laß und andern Informationen für die Kölnische Zeitung einen Artikel
gemacht, der aus Lagny datiert war, und den ich morgen oben vorher
zur Approbation vorlegen sollte. Er lautete: „Das Verfahren der
französischen Regierung in betreff der Ausführung der Friedens-
präliminarien ist rein rätselhaft, wenn nicht die Deutung erlaubt ist,
sie agiere mit Winkelzügen. Dringend bedarf sie in ihrer immer
noch sehr bedenklichen Lage dem Aufstande in der Hauptstadt gegen-
über des guten Willens, der indirekten Beihilfe des Geschehenlassens
wenigstens, von seiten der Deutschen, und dabei zeigt sie sich bis-
auf die letzten Tage in auffallender Weise lässig in Erfüllung der
im Januar und März mit uns abgeschlossenen Verträge, dabei
deutelte sie in verdachterregendem Stile an den wichtigsten Bestim-
mungen derselben, dabei versucht sie, wie verlautet, in Brüssel An-
sichten zur Geltung zu bringen, die, wenn der definitive Friede nach
ihnen gestaltet würde, denselben in wichtigen Punkten zu einer für
Deutschland nichts weniger als vorteilhaften Umwandlung der Grund-
lage machen müßten, die wir im Präliminarfrieden von Versailles
gewonnen haben. Dabei scheine es außerdem, daß sie dort solche
unerfüllbare Vorschläge nur in der Absicht vorbringen ließ, die Ver-
handlungen in die Länge zu ziehen und inzwischen durch Nieder-
schlagung der Insurrektion der Pariser Roten eine Position zu er-
langen, die ihr vielleicht erlauben würde, mit einiger Hoffnung auf
Erfolg den Leitern unfrer Politik mit dem Anspruch auf mildere
Bedingungen entgegenzutreten. Die Regierung des Herrn Thiers
zahlte nur säumig und erst nach Drohungen von deutscher Seite
die Verpflegungsgelder. Sie zauderte mit der Freilassung der noch
in Frankreich verbliebnen deutschen Gefangnen, und sie zögerte gleicher-
maßen mit Erfüllung der wohlberechtigten deutschen Forderung, die